Helmut Albert Müller hat den Hospitalhof zu einer bedeutenden Institution aufgebaut – und zugleich den Abriss des maroden Gebäudeensembles vorangetrieben.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart-Mitte - Der Hospitalhof ist weg, es lebe der Hospitalhof! So etwa könnte dessen Leiter Helmut A. Müller proklamieren. Seit 25 Jahren leitet der evangelische Theologe die Einrichtung und hat sie zur bedeutendsten deutschen Institution für Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft gemacht, um dann etwa in der Hälfte seiner Amtszeit den Abriss des Domizils voranzutreiben. „Ich habe mir das nicht leicht gemacht. Aber es waren strategische Überlegungen“, erklärt Müller seine Haltung. Die Erwachsenenbildung innerhalb der Kirche bekomme eine zunehmend größere Bedeutung, und mit dem Neubau wolle er die Weichen für deren Zukunft in den kommenden Jahrzehnte sichern.

 

„Das architektonische Konzept des Gebäudes stammt aus den 50er Jahren. Da sind die Leute in den Vortragssaal gegangen und nach der Veranstaltung haben sie den Ort sofort wieder verlassen. Heute ist die Kommunikation sehr wichtig. Daran wurde damals nicht gedacht. So hatten wir zwar einen Saal für 1 000 Leute, aber im Foyer konnten wir nur 100 bewirten“, umreißt Müller die konzeptionellen Mängel des mittlerweile komplett abgerissenen Gebäudes. Gerade das Gespräch der Teilnehmer untereinander und die Diskussion nach einem Vortrag fülle die Themen mit Leben, und gerade die Grenzbereiche zwischen Naturwissenschaft und Theologie seien der Anziehungspunkt einer Zuhörerschaft die oft über viele Kilometer anreise. Müller hat als Herausgeber mehrerer Bücher diese Vortragsreihen zum Beispiel zum Thema Evolution oder Kosmologie dokumentiert.

Rund 500 Veranstaltungen stehen auf dem Programm

Zwischen 450 und 500 Veranstaltungen stehen aktuell auf dem Programm des Bildungszentrums. Als Müller vor 25 Jahren die Leitung des Hospitalhofs übernahm, waren es noch zwischen 40 und 200. Und er hat das Kunststück vollbracht, ein jüngeres Publikum anzusprechen: „Diese Leute kommen nur, wenn sie merken, dass persönlich etwas für sie herausspringt.“ Deshalb spricht Müller diese Zielgruppe mit lebenspraktischen Fragen an und nimmt Rücksicht auf deren eingeschränktes Zeitbudget.

Wenn der Neubau in zwei Jahren eingeweiht wird, ist Müller im Ruhestand. „Ich freue mich, dass ich dann meinen Nachfolgern etwas Zeitgemäßes übergeben kann. Ich hatte das an meiner ersten Pfarrstelle in Backnang ja auch angetroffen.“ Das war 1978. Das dortige Gemeindehaus hatte hohe weiße Wände, die schrien förmlich nach Kunst, fand Müller. So wurde aus dem Pfarrer mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung allmählich der Ausstellungskurator. Zehn Jahre später fand er als Pfarrer an der Hospitalkirche eine andere Zielgruppe und konnte sehr viel experimenteller bei seinen Konzepten werden. Er bewies einen Riecher für Talente, die gerade auf dem Weg nach oben sind. So waren Arbeiten von Jonathan Meese schon im Hospitalhof zu sehen, lange bevor der Kunst-Chaot ein Lieblingskind der Szene wurde. Meese ist nur eines von vielen Beispielen, wenn auch das spektakulärste.

Religion hat nie eine zentrale Rolle gespielt

Religiöse Inhalte hatten bei der Wahl der Künstler nie eine zentrale Rolle gespielt: „Ich wollte künstlerisch herausragende Positionen zeigen“, sagt er und damit eckte er immer wieder an, von verschiedenen Dienstaufsichtsbeschwerden bis zum Konflikt mit der Synode. Der jüngste liegt keine sechs Jahre zurück. Da musste er schlussendlich ein paar freizügige Nixen der Künstlerin Mara Wagenführ verhüllen. „Abhängen wäre nicht in Frage gekommen, sonst hätte ich nie mehr eine Ausstellung gemacht.“ So weit kam es nie und deshalb weist selbst auf dem engen Flur der Interimsbleibe in der Jägerstraße die Kunst zu seinem Büro. Sie gehört zu Müller wie die Theologie, denn für ihn hat die bildende Kunst auch jenseits christlicher Inhalte dennoch eine religiöse Dimension: „Sie geht weit über die Predigt hinaus, weil sie andere Sinne anspricht.“

Als Jugendlicher war er selbst kreativ. So schwatzte ihm seine Cousine hartnäckig eines seiner Bilder ab. Heute ist sie eine Größe im Kunstbetrieb. Die Cousine ist die Stuttgarter Künstlerin Rosalie.