Grün-Rot verweigert im Bildungsausschuss des Landtags den Vertretern von Privatschulen eine Anhörung. CDU und FDP sprechen von Gutsherrenart und vermuten, die Regierungsfraktionen wollten öffentliche Kritik unterdrücken.

Stuttgart - „So viel zum Gehörtwerden“, höhnte Monika Stolz (CDU) aufgebracht, als beschlossen war, das die Vertreter der Privatschulverbände sich im Bildungsausschuss des Landtags nicht äußern sollten. Ihr Fraktionskollege Georg Wacker und der bildungspolitische Sprecher der FDP, Timm Kern sollten später über die „politische Demonstration der Macht“ klagen und polemisieren: „Grün-Rot verweigert den Privatschulexperten das Wort“.

 

Tatsächlich hatten die zehn Mitglieder von Grünen und SPD im Bildungsausschuss den Antrag der neun Abgeordneten von CDU und FDP abgelehnt, unter dem Punkt Privatschulbericht der Landesregierung den bereits im Saal anwesenden Vertreter der Waldorfschulen und seinen Kollegen vom Verband deutscher Privatschulen (VdP) zu Wort kommen zu lassen. Das Ganze hätte eine halbe Stunde dauern sollen.

Die Ablehnung befremdete nicht nur die Opposition – auch ein Mitglied der Regierungsfraktionen raunte hinter vorgehaltener Hand, „wie kann man nur 49 Prozent des Gremiums die Anhörung verweigern“.

Aneinander vorbei argumentiert

Man konnte – man argumentierte in der Begründung auch haarscharf aneinander vorbei. Die Privatschulen und die Politik beschäftigen momentan zwei Großthemen: der Rückgang der staatlichen Finanzierungsquote für die Privatschulen und ein Urteil des Staatsgerichtshofs.

Das Gericht hält die aktuelle Finanzierung der Privatschulen in Teilen für verfassungswidrig. Wie das Land darauf reagieren soll, klären momentan die Gutachter. Das zweite Thema, die aktuellen Zuschussquoten, stehen im Zusammenhang mit dem alle drei Jahre fälligen Privatschulbericht der Regierung.

„Wir können nicht in fünf Minuten die ganze Tragweite des Gerichtsurteils besprechen“ argumentierte Sandra Boser (Grüne) gegen die Anhörung. Stefan Fulst-Blei (SPD) verwies auf Gespräche zwischen dem Ministerium und den Privatschulen zu dem Urteil. Eine Anhörung zum jetzigen Zeitpunkt wäre nur „ein durchsichtiges Manöver“.

Zu dem Landtagsbericht hätten die Verbände sehr wohl Stellung beziehen können, hielten Wacker und Kern dagegen. Sie erinnerten daran, dass vor drei Jahren die Verbände durchaus berichten durften. Dieses Mal sei Kritik zu erwarten gewesen. „Postwendend wurde das Wort versagt“, kritisierten die Oppositionsvertreter und warfen den grün-roten Erfindern der Politik des Gehörtwerdens vor: „Offenbar finden Anhörungen unter Grün-Rot nach Gutsherrenart statt“.

Verbände konsterniert

Wacker und Kern fordern, dass in Zukunft Anhörungen der Freien Schulen zum Privatschulbericht zur Regel werden sollten. Die konsternierten Vertreter der Privatschulen stellten nach der für sie recht kurzen Sitzung gegenüber der Stuttgarter Zeitung klar, sie hätten sich ohnehin nicht zu den noch offenen Konsequenzen aus dem Urteil äußern wollen, sondern zum Privatschulbericht.

Andreas Büchler vom Verband deutscher Privatschulen betonte, „das Urteil hat mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben. Wir sind noch in der Bewertungsphase“. Christoph Sander von den Freien Waldorfschulen rechnet ohnehin nicht damit, dass sich vor der Landtagswahl am 13. März noch viel bewegt.

Die bisherigen Gespräche würden auf Konsens abzielen. Jedoch hat Sander Zweifel ob die Forderung des Staatsgerichtshofs, das Gesetz bis zum 1. August 2017 verfassungskonform zu machen, überhaupt erfüllt werden kann.

Pro-Kopf-Zuschüsse deutlich gesunken

Zum Finanzierungsbericht hätten Sander und Büchler aber schon gerne deutlich gemacht, dass die Pro-Kopf Zuschüsse des Landes für jeden der 140 000 Privatschüler im Verhältnis deutlich gesunken seien. Ursprünglich hatte die Koalition versprochen, 80 Prozent der Kosten eines staatlichen Schülers an die Privatschulen zu erstatten.

Besonders bei den Gymnasien war der Kostendeckungsgrad gesunken, das räumte auch Kultusminister Andreas Stoch (SPD) ein. Er betonte aber, dass Grün-Rot die Summe der Zuschüsse um 150 Millionen Euro erhöht habe. Jedoch ist die Zahl der Privatschüler stetig gestiegen.

In der Berechnungsgrundlage für die Zuschüsse, dem so genannten Bruttokostenmodell sind aber Aufwendungen für den Ganztagsbetrieb, für Inklusion und für Schulsozialarbeit nicht berücksichtigt. Trotz der Mängel halten die Verbände das Modell für eine faire Grundlage, die ihrer Meinung nach angepasst werden könnte.

Ein Gutes hatte die Sitzung für die Verbände dann doch noch. Stoch hatte angekündigt, der Kostendeckungsgrad an allen Schularten solle im Jahr 2016 auf 78,1 Prozent aufgefüllt werden. „Das war neu“, sagten Sander und Büchler und waren’s vorerst zufrieden.

Förderung gestiegen, Prozentsatz gesunken

Knapp 103 000 Schüler besuchten im Schuljahr 2014/15 eine allgemein bildende Privatschule. Das sind 0,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Anzahl der Privatschüler steigt im Südwesten seit 1986 kontinuierlich. Damals gab es knapp 57 000 Privatschüler. Zu den Schülern an allgemeinbildenden Privatschulen kamen 2014/15 knapp 45 800 Schüler an privaten beruflichen Schulen.

Das Land übernimmt laut Vereinbarung 80 Prozent der Kosten eines öffentlichen Schülers. Tatsächlich sank der Kostendeckungsgrad bei den privaten Gymnasien nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen (AGFS) von 77 auf etwas mehr als 70 Prozent. Das betreffe zwei Drittel aller Privatschüler auf einem Gymnasium oder einer Waldorfschule. Das Kultusministerium spricht von etwa 72 Prozent. Minister Andreas Stoch betont, der Prozentsatz sei gesunken, obwohl die Förderung erhöht wurde. An den öffentlichen Gymnasien entfiel mit der Umstellung auf G8 ein Jahrgang. Lehrer und Infrastruktur blieben, damit wurde ein staatlicher Gymnasiast teurer. Stoch betonte, dass die Privatschulen allein im Jahr 2016 insgesamt 33 Millionen Euro mehr bekommen.