Schüler mit ausländischen Wurzeln streben nach höheren Abschlüssen. Das ist für die Politik die erfreuliche Nachricht aus dem neuen Bildungsbericht. Die Datensammlung für das Land zeigt aber auch, dass die Lehrer noch nicht besonders gut mit einer vielfältigen Schülerschaft umgehen können.

Stuttgart - „Migrantenkinder holen auf“, heißt die Botschaft, die Carmina Brenner, die Präsidentin des Statistischen Landesamts, aus dem neuesten Bildungsbericht zieht. Zum dritten Mal legt die Statistikbehörde zusammen mit dem Landesinstitut für Schulentwicklung einen Bildungsbericht vor. Zum ersten Mal wurde die Herkunft der Schüler ermittelt.

 

Was Carmina Brenner so freut, ist, dass die mittlere Reife inzwischen auch bei ausländischen Schülern der häufigste Abschluss ist. Beim ersten Bildungsbericht 2006 hatten nur 28 Prozent von ihnen einen mittleren Abschluss, 2009 waren es 32, nun sind es 42 Prozent. Auch der Anteil der Abiturienten hat sich seit 2009 von 7,6 Prozent auf 10,7 Prozent im Jahr 2013 erhöht. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der ausländischen Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen von 9,4 auf 7,2 Prozent gesunken. Von den deutschen Schülern machten 31,8 Prozent Abitur, 2,6 Prozent brachen die Schule ab.

Bei den Siebtklässlern des vergangenen Schuljahrs bestätigt sich die Tendenz zu höheren Abschlüssen: Von den ausländischen Schülern besuchten knapp 17 Prozent ein Gymnasium, bei den Deutschen mit ausländischen Wurzeln waren es 26,4 Prozent. Allerdings gibt es einiges aufzuholen: 41,5 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund gingen auf das Gymnasium. Eine Haupt-/Werkrealschule hatten 53,8 Prozent der Ausländer, 37,9 Prozent der Deutschen mit und 18,4 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund gewählt. Angesichts der Flüchtlingszahlen rechnen die Statistiker damit, dass künftig 35 Prozent der Schüler im Südwesten einen Migrationshintergrund haben werden. Zurzeit ist es jeder Vierte.

Hohe Anforderungen an die Lehrer

Das stellt hohe Anforderungen an die Pädagogen. Bis jetzt sieht es beim Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft noch nicht besonders gut aus. Nur jedem achten Gymnasium und bloß jeder zwölften Realschule gelinge es, differenzierte Lernangebote für die unterschiedlich leistungsfähigen Schüler zu machen, konstatierte Günter Klein, der Leiter des Landesinstituts für Schulentwicklung.

Auch nur jede zweite Grundschule und die Hälfte der Haupt- und Werkrealschulen schaffe die Differenzierung gut. „Der Umgang mit Heterogenität ist noch nicht zufriedenstellend. Wir müssen in der Pädagogik bessere Antworten finden“, folgert Klein.

Schon in der dritten Klasse zeige sich eine große Spreizung. Während ein Drittel der Kinder so gut lesen als hätten sie die Grundschule schon abgeschlossen, hinkt ein Fünftel noch dem Mindeststandard hinterher. Besserung erhofft Klein vom Bildungsplan, der im Jahr 2016 eingeführt wird und durch eine neue Lernstandserhebung, die zu Beginn der fünften Klasse gemacht werden soll.

Stoch nimmt sich Grundschulen vor

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) sagte bei der Präsentation des Berichts: „Wir müssen uns stärker den Grundschulen zuwenden, denn hier können wir soziale Differenzen früh ausgleichen“. Auch sei es dringend nötig, Flüchtlingskinder früh zu fördern. In diesem Jahr rechnet Baden-Württemberg mit 52 000 neuen Flüchtlingen, das wären doppelt so viele wie 2014. Kitas und Schulen müssten reagieren.

Den Schwerpunkt sieht Stoch dabei in der frühkindlichen Sprachförderung. Rund 21 Millionen Euro gibt das Land dafür im Jahr aus, dazu kommen in diesem Jahr zwei und im nächsten Jahr 2,8 Millionen speziell für die Förderung von Flüchtlingskindern. An den Schulen gebe es dafür bis 2016 rund 430 neue Stellen. Die CDU tut das als „Flickschusterei“ und „Symbolpolitik“ ab. Die Zahl entspreche nicht dem Bedarf.

Stoch betrachtet den neuen Bildungsbericht als Datenbank „für eine sachliche Bildungspolitik“. Besonders für die regionale Schulentwicklung, die mittelfristige Planung von Schulstandorten in den Regionen, biete der Bericht den Stadt- und Landkreisen eine gute Datengrundlage.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht den Bildungsbericht als „Handlungsanweisung für die Bildungspolitik der nächsten Jahre“. In die Qualität der frühen Bildung müsse investiert und der Umgang mit Heterogenität unterstützt werden. Da sei es konsequent gewesen, im kommenden Schuljahr keine Lehrerstellen zu streichen, lobte die GEW-Vorsitzende Doro Moritz.

Schülerzahlen nur leicht rückläufig

Die Schülerzahlen sind nicht so stark gesunken wie erwartet. Aktuell besuchen 1,13 Millionen Schüler eine allgemein bildende Schule (105 000 weniger als 2009), gerechnet hatte man mit 1,098 Millionen. An den beruflichen Schulen gibt es 423 000 Schüler, das sind 14 000 weniger als 2009.

Der Bildungsbericht 2015 ist der dritte seiner Art für das Land. Er liefert auf 400 Seiten Daten zur vorschulischen und schulischen Bildung in Baden-Württemberg. Angesichts der demografischen Entwicklung und des veränderten Verhaltens bei der Schulwahl soll der jetzige Bericht auch als Grundlage für die regionale Schulentwicklung dienen. Er liefert für jeden Stadt- und Landkreis Daten und Standorte der einzelnen Schulen. Er ist online zu haben unter www.bildungsbericht-bw.de