Ein anonymer Kritiker wirft Forschungsministerin Annette Schavan vor, in ihrer Doktorarbeit unsauber zitiert zu haben. Sie wehrt sich.

Berlin - Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) sieht sich harten Vorwürfen ausgesetzt. Auf der Internetseite schavanplag.wordpress.com listet ein anonymer Ankläger Passagen ihrer Doktorarbeit auf, in denen sie unsauber zitiert haben soll. Die Arbeit handelt über das Thema „Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“. 1980 erlangte Schavan damit an der Universität Düsseldorf den Doktortitel im Fach Erziehungswissenschaften mit der zweitbesten Bewertung „magna cum laude“ (mit großem Lob).

 

Nach Bekanntwerten der Vorwürfe will die Promotionskommission der Universität prüfen, ob die Kritik berechtigt ist. Das Gremium werde kommende Woche seine Arbeit aufnehmen, sagte ein Sprecher der Heinrich-Heine-Universität: „Das in solchen Fällen übliche Verfahren entspricht auch der Bitte von Frau Professor Schavan.“ Der Vorsitzende der Kommission sei bereits verständigt worden. Wie lange die Prüfung dauere, sei offen. Ein Sprecher Schavans sagte, man begrüße, dass die Universität sich der Angelegenheit annehme. Der Doktorvater Schavans, der heute 88-jährige Gerhard Wehle, wollte sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) nicht zu dem Fall äußern.

Schavan soll Quellen verschleiert haben

Eine erste Durchsicht der in Rede stehenden Passagen vermittelt den Eindruck, dass Schavan nicht etwa wie der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) seitenweise Textstellen aus anderen Werken übernommen hat, ohne die Quellen zu kennzeichnen. Diskussionen dürfte in ihrem Fall gleichwohl die Frage auslösen, ob sie Textstellen genau genug als fremdes geistiges Eigentum markiert hat. Ihr wird vorgeworfen, Quellen verschleiert zu haben. So finden sich in der Internetauflistung mehrere Beispiele, bei denen eine Quellenangabe zwar unmittelbar nach einem wörtlichen Zitat erfolgt, aber nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, dass auch die Textstellen im Umfeld dieses Zitats dem in der Quelle vermerkten Autor zugerechnet werden können. Kontrovers dürfte auch debattiert werden, wie weit sich in einer Doktorarbeit eigene Gedanken von denen anderer Autoren abgrenzen müssen, um nicht zitierpflichtig zu sein.

Schavan sagte zu, sich diesen wissenschaftlichen Streitfragen zu stellen. Sie beklagte aber, dass die gegen sie erhobenen Vorwürfe anonym veröffentlicht wurden. „Wer sich mit meiner Dissertation beschäftigt hat, mit dem bin ich gerne bereit, über diese Dissertation zu sprechen“, sagte Schavan, aber „mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen“.

Der Ankläger will anonym bleiben

Die Internetplattform „wordpress.com“ wird von einem US-Anbieter betrieben. Angebote wie der „schavanplag“ können dort anonym eingestellt werden. Eine Ermittlung des Urhebers ist kaum möglich. Am Mittwochmorgen wurden unter anderem Presseagenturen per Fax auf die Internetseite hingewiesen. Als Absender war „Robert Schmidt“ angegeben, ohne Faxkennung oder Rückruf- und Kontaktmöglichkeit. Auch Recherchen des Ministeriums kamen zu keinem Ergebnis.

Schavan ist Vizevorsitzende der CDU und seit 2005 Bundesbildungsministerin. Zuvor war sie zehn Jahre lang Kultusministerin in Baden-Württemberg. Seit dem Wintersemester 2009/2010 lehrt sie als Honorarprofessorin für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin. Sie wird sich auch deshalb einer sehr genauen Prüfung unterziehen müssen, weil sie im Fall Guttenberg ein drastischer Urteil fällte. Damals sagte sie in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, sie schäme sich für die Plagiataffäre, und das „nicht nur heimlich“. Der Entzug des Doktortitels durch die Universität Bayreuth sei deshalb folgerichtig gewesen: „Raubkopien sind kein Kavaliersdelikt. Und der Schutz geistigen Eigentums ist ein hohes Gut“.