Homosexualität als Thema im Unterricht? Dagegen haben am Samstag 800 Menschen auf dem Schlossplatz demonstriert. Es kam zu aggressiven Szenen. Ein Polizist wurde verletzt.

Stuttgart - In der Innenstadt haben am Samstag erneut mehrere Hundert Menschen für und gegen den Bildungsplan der baden-württembergischen Landesregierung zum Thema sexuelle Vielfalt im Schulunterricht demonstriert. Unter dem Schutz von 400 Polizisten sowie Polizeireitern trafen sich laut Polizei 800 Bildungsplangegner um 14 Uhr auf dem Schlossplatz. Motto: „Gegen die Indoktrination unserer Kinder – Stoppt den Bildungsplan 2015“.

 

Die Stimmung war aufgeladen. Rund 40 Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum versuchten den Zug zu blockieren und wurden von der Polizei eingekesselt und festgehalten. Polizisten und Demonstranten wurden mit Tomaten beworfen. Immer wieder kam es zwischen den Gruppierungen zu tätlichen Scharmützeln. Ein Polizist wurde durch einen Tritt in die Genitalien verletzt. Der Tatverdächtige wurde später vorläufig festgenommen. Bei weiteren Angriffen gab der Einsatzleiter Knüppel und Pfefferspray frei.

Aggressives Verhalten zeigte auch das Ordnungspersonal der Bildungsplangegner. 60 Demonstranten hatte die Polizei bereits zuvor am Hauptbahnhof abgefangen – zu umfangreichen Personenkontrollen. Zu einer Demo der Befürworter, zu der der Christopher Street Day Stuttgart auf dem Marktplatz aufgerufen hatte, kamen laut Polizei 300 bis 400 Teilnehmer; diese Veranstaltung sei unspektakulär verlaufen.

„Besorgte Eltern Baden-Württemberg“ fürchten um ihre Kinder

Doch was ist es, das die Gegner des Bildungsplans, die als „Besorgte Eltern Baden-Württemberg“ auf der Homepage „Politically Incorrect“ auftreten, so in Rage treibt? „Schwul, das ist eklig“, sagt einer der Bildungsplangegner auf dem Schlossplatz. Seine Kinder sollen „mit solchen Leuten nichts zu tun haben“. Am schlimmsten sei für ihn, dass er wegen der Schulpflicht seine Kinder ja trotzdem in die Schule schicken müsse, meint ein anderer. Es könne doch nicht sein, dass die Kinder in der Schule lernten, dass Schwule und Transen besser seien als Heteros, sagt der Mann, der auf Anfrage angibt, aus Russland zu kommen.

Eine Rednerin verkündet, der von der Landesregierung angestrebte Unterricht „zerstört die Grundlage der Familien und macht die Kinder bindungsunfähig“. Und: „Die Kinder haben ein Recht darauf, auf Ehe und Familie vorbereitet zu werden.“ Die Rednerin ergänzt: „Bildung in den Regenbogenfarben, soll das ein Vorgeschmack auf die künftige Nationalflagge sein – statt schwarz-rot-gold?“ Was sie und andere Redner noch gesagt haben, deren Namen die Veranstalter der StZ auf Anfrage nicht mitteilen wollten, ging im Lärm unter.

Polizei drängt Störer ab

Zudem bildeten breitschultrige Ordner, die die Bildungsplangegner mitgebracht hatten, eine Art Schutzkreis um die Teilnehmer. Als Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum hineindrängen wollten und „Nazis raus“ skandierten, bildeten Polizisten in voller Schutzkleidung sofort einen Doppelkordon um die Bildungsplangegner und drängten die Störer ab.

Zufälligen Passanten bot sich ein ungewöhnliches Bild: In der Mitte des martialischen Polizeikordons eine Gruppe von Menschen mit Transparenten, auf denen stand: „Keine Sex-Videos in der Schule“, „Stoppt Pornografie an Schulen“, „Kinder sollen frei von unmoralischen Werten sein“ oder „Familientod = Volkstod“. Und drumherum Menschen in schwarzen und bunten Gewändern mit Bannern, auf denen stand: „Sexuelle Vielfalt statt bevorzugter Einfalt“, „Liebe kennt kein Geschlecht“, „Lieb doch, wen du willst“ oder „bunt statt braun“.

Passanten wundern sich

Ein älteres Ehepaar aus Ludwigsburg staunte. „Ja, in welchem Jahr leben die denn?“, sagte der Mann. Und: „Jeder Mensch soll so leben, wie er möchte.“ Und die Frau: „Der Aufmarsch kostet einen Haufen Steuergelder.“ Eine angehende Erzieherin meinte: „Ich möchte, dass Kinder im Unterricht aufgeklärt werden, auch um sie vor Krankheiten zu schützen.“

Um 16.15 Uhr war der Aufzug schließlich am Eckensee beendet. Zwei Personen wurden wegen der Verdachts der Körperverletzung, gefährlichen Körperverletzung und Widerstands gegen Polizisten angezeigt.