Die grün-rote Landesregierung will die Akzeptanz der sexuellen Vielfalt fördern. Auch in der Schule. Dagegen gibt es erbitterten Widerstand. Ein Lehrer ruft im Internet zur Unterzeichnung einer Petition auf – und findet zahlreiche Unterstützer.

Stuttgart - Die Online-Petition des Nagolder Lehrers Gabriel Stängle schlägt hohe Wellen. Inzwischen haben mehr als 60.000 Unterstützer den Aufruf „Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ unterzeichnet. Aber es gibt auch erbitterte Gegner der Petition. Der Lehrer wendet sich darin gegen den Vorschlag des Kultusministeriums, in den neuen Bildungsplan die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ aufzunehmen und die Themen Homosexualität und Transsexualität zu behandeln. Stängle ist in einer christlichen Gemeinschaft aktiv. Beim Realschullehrerverband führt er das Referat Erziehung, Bildung und Schulpolitik.

 

Er kritisiert, das Vorhaben der Regierung „schieße über das Ziel hinaus“. Es ziele „auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung an den allgemein bildenden Schulen“. Die Unterzeichner wenden sich dagegen, „einzelne Gruppen und ihre Interessen“ über zu betonen. In der Petition ist die Rede vom „LSBTTIQ-Lebensstil“ (lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell und queer).

„Die ethische Reflexion der negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils“ fehle komplett. Der Initiator führt dabei „höhere Suizidgefährdung homosexueller Jugendlicher“, „erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen“, oder auch „das ausgeprägte Risiko psychischer Erkrankungen“ bei homosexuell lebenden Frauen und Männern auf.

Strafanzeige gegen den Initiator

Das hat dem Verfasser eine Strafanzeige eingetragen. Verunglimpfung einer bestimmten Personengruppe und Volksverhetzung lauteten die Vorwürfe. Doch inzwischen ist das Verfahren schon wieder beendet, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Tübingen der Stuttgarter Zeitung. Die Anzeige sei bereits Anfang Dezember anonym erstattet worden. Die Prüfung habe ergeben, dass die Äußerungen von der Meinungsfreiheit umfasst seien.

Anhängig ist jedoch noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Die Beschwerdeführer werfen dem Initiator der Petition vor, er verbreite falsche Inhalte. Auch verstoße er gegen das Mäßigungsgebot der Beamten. Fraglich sei ferner, ob er die Loyalität zu seinem Dienstherrn wahre, wenn er sich gegen die bildungspolitischen Ziele des Kultusministeriums wende. Nun werde geprüft, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden solle, beschreibt der Sprecher des Regierungspräsidiums das Prozedere.

Ministerium will Toleranz fördern

Das Kultusministerium weist die in der Petition aufgenommenen Behauptungen in scharfen Worten als falsch und diskriminierend gegenüber Minderheiten zurück. Der neue Bildungsplan, der von 2015 an in den Schulen eingeführt wird, solle Werte wie Respekt, Toleranz und Weltoffenheit vermitteln, sagt eine Sprecherin von Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Das Thema „Akzeptanz von sexueller Vielfalt“ firmiert demnach unter der Rubrik „allgemeine Erziehungsziele“. Der Bildungsplan wolle Akzeptanz und Toleranz gegenüber der Vielfalt in der Gesellschaft fördern.

Die Petition erwecke den Eindruck, dass alle Leitprinzipien des neuen Bildungsplans unter dem Aspekt der sexuellen Vielfalt betrachtet werden sollten. „Das ist maßlos übertrieben“, erläutert die Sprecherin. Es handle sich um ein Thema unter vielen. „Vollkommen absurd“, sei die Behauptung, das Ministerium wolle die Schüler „pädagogisch und moralisch umerziehen“. Die Behauptung und Wortwahl zeuge vom „dogmatischen Hintergrund der Verfasser“. Sie habe „nichts mehr mit einer demokratischen Diskussion zu tun“. Zudem stehe der Vorschlag bisher erst in einem internen Arbeitspapier zu den Leitprinzipien des Bildungsplans. Das Papier sei die weitere Arbeitsgrundlage der Kommissionen.

Extremes Vokabular

Rechtlich hat die Online-Petition noch keine Bedeutung. Beim Landtag, der zuständigen Adresse, liegt noch nichts vor, sagt ein Sprecher. So wie die Petition jetzt im Internet stehe, sei sie an niemanden gerichtet. Die Grünen kritisieren den Aufruf heftig. „Das Vokabular erinnert an rechtsextreme und fundamentalistische Strömungen“, sagt ihr Landesvorsitzender Oliver Hildenbrand. Schule sei ein Ort der Vielfalt und Akzeptanz. Die neue Regierung mache sich offensiv stark für gleiche Rechte im Land.