Das Land will in der Bildung zurück an die Spitze, die Fraktionen wissen aber nur nicht so recht, wie. Eine Bestandsaufnahme.

Stuttgart - Die alten Gräben drohen in der Bildungspolitik wieder aufzubrechen. Gegenteiligen Bekundungen zum Trotz bestimmten Strukturfragen und Schuldzuweisungen über weite Strecken die Landtagsdebatte zu Konsequenzen aus dem jüngsten Bildungsvergleich. Alle Fraktionen wollen Baden-Württembergs Schulen wieder an die Spitze der Bundesländer zurückbringen – über den Weg dahin gehen die Meinungen aber weit auseinander.

 

Von der Spitze in die Abstiegszone

Für den CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart ist zumindest klar, wer dafür verantwortlich ist, dass die Schüler aus dem Südwesten von Spitzenplätzen im Jahr 2009 nun in die Abstiegszone geraten seien. „Der Sündenfall war 2011“, sagte er. Die schwarz-gelbe Landesregierung habe die Bildungspolitik auf einem Spitzenplatz übergeben. Das schlechte Abschneiden der Schüler beim aktuellen Vergleich betrachtet er in erster Linie als eine „Bestandsaufnahme nach fünf Jahren grün-roter Bildungspolitik“.

Ungewöhnlich scharf kritisierte Reinhart die Vorgängerregierung, mit deren grünem Teil die CDU immerhin nun koaliert. Er bemängelte, Grün-Rot habe funktionierende Strukturen „systematisch desavouiert“, die Gemeinschaftsschule „bewusst privilegiert“ und „im Reformeifer die Qualität ignoriert“. Jetzt postuliert Reinhart: „Die Zeit der ideologischen Experimente ist vorbei, ab jetzt zählen wieder Leistung, Qualität und Erfolg“.

Leistungsfähiger und sozialer

Bei der FDP und auch der AfD stieß Reinhart auf sehr viel Zustimmung. Die Grünen blieben reserviert. Den harschen Attacken des neuen Koalitionspartners hatte Andreas Schwarz, der Chef der Grünenfraktion wenig entgegenzusetzen. Ja, auch die Grüne wollten wieder Spitzenreiter werden, sagte er. Das Bildungssystem solle „leistungsfähiger und sozial gerechter werden“. Auch er bekannte sich dazu „Qualität, Erfolg und Leistung in den Mittelpunkt zu stellen, nannte aber auch die Kontinuität. Für die schlechten Ergebnisse der Schüler im Ländervergleich sieht Schwarz alle in der Verantwortung. Mit Blick auf die von CDU und FDP scharf angegriffene Gemeinschaftsschule widersprach Schwarz dem Vorwurf, anderen Schulen seien zugunsten der Gemeinschaftsschule Ressourcen weggenommen worden. Engagierter verteidigte Schwarz die regionale Schulentwicklung. An größeren Schulen werde weniger fachfremder Unterricht erteilt, auch seinen Vertretungen einfacher. In der neuen Koalition unterstützen die Grünen das Streben nach effizientem Einsatz der Lehrerstellen. Auch seien in der Vergangenheit bereits die Weichen für Verbesserungen an den Grundschulen gestellt worden.

Für die AfD sprach deren Fraktionschef Jörg Meuthen von einer „Bildungskatastrophe“ und davon, dass „utopiebesoffenes linkes Denken“ erfolgreiche Systeme zerstört habe. Hans-Ulrich Rülke, der Vorsitzende der Landtags-FDP beklagte ebenfalls, grün-rot habe das „erfolgreiche differenzierte und durchlässige Schulsystem ohne Not geschliffen“ und „dem Leistungsprinzip den Kampf angesagt“. Da sei es kein Wunder, wenn die Schulen an Leistungskraft verlören.

In Ruhe und in gebotener Eile

Der schwarze Peter blieb an der SPD hängen. Hier enthielt sich der Fraktionschef jeglicher Äußerung. Andreas Stoch, der frühere Kultusminister überließ das Feld seinem bildungspolitischen Sprecher Stefan Fulst-Blei. Der verteidigte die Reformen tapfer. Natürlich sei man mit dem Ergebnis des Ländervergleichs nicht zufrieden. Das beruhe jedoch „im wesentlichen auf schwarz-gelben Grundlagen“. Er ergänzte, „wir konnten mit unseren Reformen nicht alle Probleme lösen“. Notwendig seien die Reformen dennoch gewesen. Von dem früheren Koalitionspartner Grüne hätte sich die SPD „ein klares Bekenntnis zur Gemeinschaftsschule gewünscht“. Das blieb aus, statt dessen sieht Andreas Schwarz nun die CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann „auf der richtigen Spur“.

Eisenmann räumte ein, die Entwicklung habe sich abgezeichnet, jedoch sei der Absturz zwischen dem Jahr 2009 und jetzt „eklatant“. Die Ministerin will sich „in aller Ruhe, aber mit der gebotenen Eile“ mit den Ergebnissen befassen. Für Eisenmann ist schon jetzt „offensichtlich“, dass es im Land nicht zu wenige Lehrer gebe. Die Schüler-Lehrer-Relation nannte sie vergleichsweise gut. Jetzt sei zu fragen, „sind sie an der richtigen Stelle?“ Auch bei den Lehrern stelle sich die Qualitätsfrage, Eisenmann brachte eine verpflichtende Fortbildung ins Gespräch. Den Evaluationen der Schulen steht sie skeptisch gegenüber, sie hat sie im Verdacht ein „Selbstbeschäftigungsprogramm“ zu sein. Auch das werde überprüft. Die Ministerin will die Schularten stärken, schwache Schüler sollen gefördert werden, jedoch sei die Frage, „ob sich die ganze Klasse an den Schwächsten orientieren muss“. Die Koalition wolle nun ein „faires, qualitätsvolles, leistungsorientiertes Bildungssystem etablieren“.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.cdu-diskutiert-bildungspolitik-streit-um-das -elternwahlrecht.cb9aed6b-2a37-42ae-938a-29ae1fc45114.html