Die Schulen im Bildungszentrum West in Ludwigsburg werden abgerissen und neu aufgebaut, das Areal zudem um eine Sporthalle ergänzt. Die Stadträte haben die Pläne gebilligt – trotz der Kosten von bis zu 100 Millionen Euro. In der entscheidenden Sitzung wurde vor allem eine Sorge geäußert.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Für den Ludwigsburger Bildungsbürgermeister Konrad Seigfried ist es das größte Vorhaben der Stadt in den kommenden Jahren, „ein Riesenprojekt“. Das allerdings war am Mittwoch eine eher zurückhaltende Aussage. Einige Stadträte sprachen in der gemeinsamen Sitzung des Bildungs- und Bauausschusses gleich von einem Jahrhundertprojekt, und wenn man auf die Zahlen blickt, ist das nicht übertrieben. 70 Millionen? 80? 90? Vielleicht 100 Millionen Euro? So genau weiß niemand, wie viel Geld in den kommenden Jahren in das Bildungszentrum West fließen wird, aber in diesem Rahmen wird sich die Summe bewegen.

 

Und trotzdem haben die Ausschüsse die Pläne gebilligt. „Was lange währt, wird endlich wahr“, sagte der FDP-Stadtrat Johann Heer und bezog sich damit auf die lange Phase, in der über den Umbau nur geredet, aber nie etwas entschieden wurde. Am Mittwoch wurde eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Das Otto-Hahn-Gymnasium und die Gottlieb-Daimler-Realschule sollen abgerissen und neu gebaut, eine neue Mensa und eine Sporthalle errichtet werden. Das Gebäude der Osterholzgrundschule soll erhalten, aber teilweise umgebaut werden. So hat es die Verwaltung vorgeschlagen, so haben es die Stadträte einstimmig beschlossen.

Die Schulen sind mit Formaldehyd und PCB belastet

Vor allem der Abriss der Gebäude war lange umstritten gewesen. Das Bildungszentrum befindet sich auf dem Areal der Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Königin-Olga-Kaserne, aber von den historischen Kasernen ist nur wenig übrig. Die Schulgebäude stammen aus den 1970er Jahren und sind demnach vergleichsweise jung. Aber wegen der damals verwendeten Materialien sind die Räume mit Schadstoffen wie Formaldehyd und PCB belastet, was eine Sanierung erschwert. Dazu kommt, dass das Land wohl ein Viertel der Neubaukosten übernimmt, während Sanierungen in deutlich geringerem Umfang gefördert werden. Die Schulen selbst drängten ebenfalls auf den Abriss. Die Gebäude, sagt der Gymnasiumsleiter Mathias Hilbert, „sind nicht mehr zeitgemäß“.

Überhaupt wurden in das nun beschlossene Raumprogramm viele Anregungen der Nutzer aufgenommen. Die Klassenzimmer für die Mittelstufen sollen 72 Quadratmeter groß werden, vorgeschrieben sind 66. Die ins Bildungszentrum integrierte Bibliothek soll von 513 Quadratmetern auf 743 Quadratmeter vergrößert und zu einem Stadtteiltreff aufgewertet werden. Die Sporthalle soll mindestens zweiteilbar sein und damit die Kapazitätsprobleme vor Ort lösen, denn aktuell müssen viele Schüler für den Sportunterricht auf andere Standorte ausweichen. Die neue Mensa wird multifunktional und kann auch für außerschulische Veranstaltungen genutzt werden. Die Unterrichtsräume sollen so gestaltet sein, dass sie auch von der Volkshochschule und der Abendrealschule genutzt werden können. Ein Kraftraum für die Schulen und Vereine ist ebenfalls eingeplant, außerdem wird auf dem Areal eine Fläche frei gehalten, falls sich die Ballsportgemeinschaft Ludwigsburg und die mhp-Riesen entschließen, eine Basketballhalle zu bauen – Pläne existieren bereits.

Auch im Boden befinden sich vermutlich noch Schadstoffe

„Unglaublich komplex“ werde das gesamte Vorhaben, sagte der Baubürgermeister Michael Ilk. Auch weil die Stadt die Um- und Neubauten im laufenden Betrieb realisieren muss. Nach dem Prinzip: auf einer freien Fläche wird gebaut, dann ziehen die Schüler um, dann wird Altes abgerissen, damit wieder Platz für Neues entsteht. Erschwerend hinzu kommt, dass das Gelände nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise als Produktionsstätte und von einer chemischen Reinigungsfirma genutzt wurde und deshalb als sogenannte Altlastenverdachtsfläche eingestuft wird. „Die Verwaltung schließt nicht aus, dass im Zuge der Neuordnung kontaminierter Erdaushub abgetragen und entsorgt werden muss“, erklärt das Rathaus.

Gleichwohl hat sich die Stadt – auch wegen der steigenden Schülerzahlen – einen straffen Zeitplan verordnet. Aller Voraussicht nach wird in den nächsten Monaten ein Realisierungswettbewerb ausgelobt. Auf Basis des Ergebnisses könnten Anfang 2018 die detaillierte Planung und 2020 die Bauarbeiten beginnen. Theoretisch ist denkbar, dass die Pläne noch über den Haufen geworden werden und die Stadträte vom Abriss abrücken, sobald die genauen Kosten auf dem Tisch liegen. Aber nicht einmal Hilbert befürchtet dies noch. Spätestens seit Mittwoch sei er sich sicher, dass die Neubauten kommen, sagt der Schulleiter. „Wir freuen uns darauf.“

Auch bei den Stadträten war in der Sitzung eine gewisse Erleichterung erkennbar, dass das Jahrhundertprojekt – oder wie immer man es nennen mag – auf dem Weg ist. Aber nicht nur. Fast alle Fraktionen äußerten angesichts der gewaltigen finanziellen Herausforderung eine Sorge: dass andere Projekte auf der Strecke bleiben könnten. Seigfried war nicht gewillt, dieses Gefühl zu zerstreuen: „Das Geld ist halt nur einmal da“, sagte der Bürgermeister.