Mais macht mehr als die Hälfte des Materials für Biogasanlagen aus. Forscher aus Stuttgart und Karlsruhe prüfen eine Alternative dazu: Grüngut, das bei der Landschaftspflege anfällt. Das ist kostenlos, weil es eh da ist und sonst entsorgt werden müsste.

Stuttgart - Gäbe es den Menschen nicht, würde Deutschland heute fast vollständig aus Wald bestehen. Indem wir den Wald nutzten, erschufen wir Wiesen und Weiden. Nur durch Schnitt oder Beweidung können wir diese Landschaften erhalten. Dabei fällt auch immer Landschaftspflegematerial an. „Wir nennen es Eh-da-Material“, sagt Christof Thoss vom Deutschen Landschaftspflegeverband. „Denn es wird nicht gezielt angebaut.“ Das Grüngut entstehe immer durch Naturschutz und Landschaftspflege (Lapf), sei sehr vielfältig und in jeder Region unterschiedlich. Leider muss ein Teil des Lapf-Materials kostenpflichtig entsorgt werden, und dies mit steigender Tendenz, denn die Rinder- und Schafbestände sinken. Zudem lässt sich auch nicht alles als Grünfutter, Heu oder Einstreu nutzen.

 

Das Lapf-Material in Biogasanlagen einzusetzen hätte deshalb viele Vorteile: „Die Entsorgungskosten würden entfallen, und die Biogasanlagenbetreiber hätten ein kostenloses Substrat“, sagt Thoss. Und auch die Umwelt könnte sich freuen, denn Eh-da-Material benötigt keine Dünge- und Pflanzenschutzmittel, es stammt aus der Region und ist CO2-neutral. Und weil es nicht eigens angebaut werden muss, würde sich auch die Konkurrenz um landwirtschaftliche Ackerflächen verringern. „Von den rund 8000 Biogasanlagen, die es in Deutschland gibt, verwerten bislang vielleicht vierzig Eh-da-Material“, schätzt Thoss. Da die Verwertung in Biogasanlagen nicht ganz unproblematisch ist, lotete ein Forschungsprojekt im Auftrag des Landes die Möglichkeiten aus.

„Auch in Baden-Württemberg fallen viele Landschaftspflegematerialien an, die bisher nicht genutzt werden“, sagt Hans Oechsner von der Universität Hohenheim. Je nach Art und Schnittzeitpunkt könne der Methangehalt im Biogas jedoch stark schwanken, berichtet der Leiter der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie. So hatten frühere Untersuchungen gezeigt, dass der Methanertrag bei einer späten Ernte sehr niedrig ist. Der Grund: während das Material wächst, verholzt es. Das geschieht durch Lignin. Der organische Stoff lagert sich in die Zellwand ein und festigt die Pflanze. Stroh und Holz, die viel davon enthalten, sind in einer Biogasanlage nur schwer abbaubar. Die faserreichen Substrate sind eine schwere Kost für den Bioreaktor. Durch sie kann es zu Schwimmschichten im Fermenter kommen, Pumpen und Rohrleitungen können verstopfen und auch der Rührer muss mehr leisten.

Ist das Material verholzt, ergibt es weniger Methan

Deshalb gingen die Hohenheimer Wissenschaftler den Problemen auf den Grund. So verglichen sie Eh-da-Materialien unterschiedlichster Struktur und Beschaffenheit. Sie nahmen Proben aus Naturschutzgebieten, Grünschnitte von Flächen, die unterschiedlich stark beansprucht wurden, und krautige und verholzte Materialien. Sport- und Golfrasen, Pferdewiesen, Heckenschnitte aber auch Kräuter wie Salbei und Baldrian waren dabei. „Obwohl die Materialien bei der Ernte noch relativ jung und wenig verholzt waren, lagen die Schnittzeitpunkte im Vergleich zu Grassilagen recht spät“, berichtet Oechsner. Wenn es bei der Ernte heiß war, trocknete das Material bis zum Pressen und Umwickeln mit Folie sehr schnell. Dann stieg der Trockensubstanzgehalt und war zum Teil vergleichbar mit Heu.

Die Versuche zeigten deutlich: waren die Materialien lignin- und rohfaserreich und wenig genutzt, war der Methanertrag geringer. Häufig geschnittene und intensiv genutzte Sportflächen hingegen eignen sich besonders gut zur Energiegewinnung. Die höchsten Erträge mit 0,340 Normkubikmeter Methan pro Kilogramm organischer Trockensubstanz brachte der Golfrasen. Der Forscher erklärt warum: „Weil er sehr häufig geschnitten und intensiver gedüngt wird, sind die Ligningehalte gering.“ Die Methanerträge lagen auf dem Niveau von Wiesen mit mehr als drei Schnitten im Jahr.

„Aus technischer Sicht ist Landschaftspflegematerial für Biogasanlagen gut geeignet“, resümiert Hans Oechsner. Es sollte jedoch spätestens Ende Juni geerntet werden, und der Rohfasergehalt darf maximal 35 Prozent betragen. Von der Vergärung von später geerntetem Landschaftspflegematerial rät er hingegen ab, da altes Eh-da-Material eine sehr schlechte Methanausbeute hat. Auch junges, wenig verholztes Lapf-Material bringt nicht so viel Methan wie Mais. Der Einsatz kann sich aus ökonomischer Sicht trotzdem lohnen, denn das Substrat ist meist kostenlos.

Die Landschaftspflege verbessert auch das Landschaftsbild

Aus diesem Grund bewertete das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nach den praktischen Versuchen die Ökonomie. „Die Ergebnisse unserer Untersuchung“, so der Projektleiter Ludwig Leible, „stützen die Einschätzung, dass Landschaftspflegematerial für die Biogasproduktion geeignet ist.“ Im Vergleich zu Silomais, der derzeit in Deutschland rund 55 Prozent zur Biogasproduktion beiträgt, bestünden aber Wettbewerbsnachteile. Wie die Untersuchung zeigt, liegt dies einerseits an den geringeren Hektarerträgen, da für Ernte und Transport ein vergleichsweise hoher Arbeitszeitbedarf nötig ist. Andererseits sind die Biogaserträge pro Tonne der organischen Trockensubstanz relativ gering. „Die flächenbezogenen Methanerträge lagen bei den untersuchten Standorten rund 20 Prozent unter dem Ertrag von intensiv bewirtschafteten Grünlandflächen“, berichtet der Wissenschaftler.

Die Karlsruher Berechnungen hätten deutlich gezeigt: „Um diesem Substrat eine tragfähige ökonomische Perspektive zu eröffnen, sind zusätzliche Fördermaßnahmen nötig.“ Zwei exemplarisch untersuchte Biogasanlagen in Baden-Württemberg, so rechnen die Forscher vor, müssten zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich eine Flächenprämie von rund 200 Euro pro Hektar erhalten. Dann könnten sie etwa 20 Prozent des bisherigen Substrates durch Landschaftspflegegras ersetzen. Damit es sich rechne, Eh-da-Material in Biogasanlagen in Energie zu verwandeln, müssten also alternative Förderungen angeboten und genutzt werden. „Dennoch plädieren wir für die Verwendung von Landschaftspflegematerial in Biogasanlagen“, sagt Leible. „Der damit geleistete Beitrag etwa zum Erhalt von Streuobstwiesen oder generell zur Verbesserung des Landschaftsbildes sollte uns dies wert sein.“