Manche Pflanzen schaffen es, selbst monatelange Dürre heil zu überstehen. Sobald sie mit Wasser in Kontakt kommen, ergrünen diese Auferstehungspflanzen. Forscher sind dem Rätsel auf der Spur.

Stuttgart - Es ist absolut beeindruckend: Der kleine Zweig im Reagenzglas ist braun und wirkt völlig abgestorben. Doch nur wenige Minuten, nachdem er mit warmem Wasser übergossen wurde, beginnen die ersten Blättchen zu ergrünen. Die Beispiele lassen sich vermehren: Wässert man ein anderes braun-gelb erscheinendes, grasartiges Pflänzchen, dann dauert es nur wenige Stunden, bis sie grün zu werden beginnt. Nach gerade einmal vier bis fünf Tagen erscheinen in der inzwischen satt grün gewordenen Pflanze zart lila Blüten. Und wieder eine andere Pflanze sieht im „Trockenschlaf“ wie ein abgestorbener Busch aus. Wenige Stunden nach dem ersten Regen versorgen die Wurzeln die Blätter mit Wasser – und schon wird alles grün.

 

Diese sogenannten Auferstehungspflanzen haben es Jill Farrant von der Universität im südafrikanischen Pretoria besonders angetan. Die Forscherin, die mit ihrer Stachelfrisur und ihrem burschikosen Auftreten so gar nicht dem traditionellen Bild einer Botanikerin entspricht, arbeitet seit Jahren mit Pflanzen, die so komplizierte Namen wie Myrothamnus flabellifolicus oder Xerophyta humilis tragen. Ihre Zöglinge stammen meist aus Afrika – und dort aus Regionen, in denen Dürreperioden zum Alltag gehören.

In Deutschland sind Auferstehungspflanzen weitestgehend unbekannt, sieht man der auch hierzulande käuflichen Rose von Jericho ab. Verwirrend ist allerdings, dass es eine Echte (Anastatica hierochuntica) und eine Unechte Jerichorose (Selaginella lepidophylla) gibt – und beide botanisch nichts mit Rosen zu tun haben. Die völlig verschiedenen Pflanzen unterscheiden sich auch in ihrem Auferstehungsmechanismus. Eine trockene Echte Jerichorose ist wirklich tot und erwacht nur scheinbar zum Leben, wenn man sie in einen Teller mit Wasser legt. Dann saugen sich ihre Zellen nämlich rein physikalisch mit Wasser voll und dehnen sich dadurch aus – die Pflanze entfaltet sich und kehrt scheinbar zum Leben zurück, bleibt aber braun. Die Unechte Jerichorose – sie stammt aus Nordamerika – ergrünt dagegen tatsächlich innerhalb weniger Stunden, wenn man sie ins Wasser legt.

„Kein Wasser bitte“

Jill Farrant und ihre Mitarbeiter kultivieren ihre Auferstehungspflanzen unter kontrollierten Bedingungen im Wachstumsschrank sowie im Gewächshaus. „Kein Wasser bitte“, steht da zum Beispiel an einem völlig ausgetrockneten Strauch. Daneben blühen dagegen die männlichen und weiblichen Blüten des strauchgroßen Myrothamnus flabellifolicus. Die Pflanze spielt in der afrikanischen Medizin und Kultur eine große Rolle. „Einige Inhaltsstoffe dieser Pflanze haben Antiaging-Effekte“, berichtet Farrand – weshalb auch die Kosmetikindustrie interessiert ist.

Wichtiger aber ist den südafrikanischen Forschern die Möglichkeit, mit Hilfe dieser Pflanzen die Ernährung der Menschen in trockenen Regionen zu verbessern – ein Ziel, das im Zeichen des Klimawandels zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Dazu erforschen sie seit Jahren die Mechanismen, die der Wiederauferstehung zugrunde liegen. Sie sind, wie Farrand betont, bereits in den Genen angelegt – und zwar bei allen Pflanzen. Allerdings sind sie in der Regel nur dann aktiv, wenn Samen gebildet werden: Auch sie müssen oft jahrelang einen weitgehend ausgetrockneten Zustand überleben, um dann bei geeigneten Bedingungen zu keimen.

Auferstehungspflanzen dagegen können diese Gene immer dann in ihren Blättern und Wurzeln „anknipsen“, wenn die Lebensbedingungen unwirtlich trocken werden. Dann können sie bis zu 95 Prozent ihres Wassergehalts verlieren, ohne abzusterben. „Höhere Pflanzen setzen dabei eine ganze Reihe schützender Maßnahmen in Gang,“ berichtet Jill Farrand. So ändert sich zum Beispiel die Zusammensetzung bestimmter Eiweiße und Fette. Ein Fokus der Forschung liegt dabei auf der Fotosynthese der Pflanzen. Wenn sich diese auch bei mangelnder Wasserversorgung aufrecht erhalten lässt, dann können die Pflanzen Dürreperioden viel besser überstehen. Dabei hofft Jill Farrand, die Mechanismen auch auf herkömmliche Nutzpflanzen übertragen zu können, etwa durch genetische Modifikationen. Damit sollen diese nicht wie Auferstehungspflanzen weitgehend resistent gegen Trockenheit werden, sondern toleranter. War beispielsweise Mais nach zwei Wochen Dürre am Ende, könnten er in Zukunft eine sechswöchige regenlose Zeit überstehen.

Vielfach geehrte Botanikerin

Für ihre Arbeiten ist Jill Farrant vielfach geehrt worden, unter anderem 2012 mit dem mit 100 000 Dollar dotierten L’Oréal-Unesco-Preis für Wissenschaftlerinnen. Dass ihr das Interesse an Auferstehungspflanzen eine solche Karriere bescheren würden, hätte sie sich als Neunjährige sicherlich nicht träumen lassen. Damals entdeckte sie, dass eine scheinbar tote Pflanze nach Regenfällen grün wurde – eine Beobachtung, die ihr Vater nicht glauben wollte.