Manche Wale können ihr Maul extrem weit aufreißen. Das geht aber nur, weil sie über besondere anatomische Anpassungen verfügen. Unter anderem sind die Nerven in diesem Bereich so elastisch wie Bungee-Seile, wie Forscher jetzt herausgefunden haben.

Stuttgart - Furchenwale haben in ihrem Maul und ihrer Zunge Nervenstränge wie Bungee-Seile: Sie können die Länge dieser Nerven ohne Probleme verdoppeln und sie anschließend wieder zusammenziehen. Das kommt den Meeresgiganten bei der Nahrungsaufnahme zugute, wie Forscher der kanadischen Universität von British Columbia (Vancouver) im Journal „Current Biology“ berichten. Die Wissenschaftler vermuten, dass solche Nervenstränge auch bei anderen Tieren vorhanden sein könnten, etwa bei Fröschen.

 

Nerven sind eigentlich nicht dafür bekannt, sehr dehnbar zu sein. Überdehnungen gehören sogar zu einer häufigen Form der Nervenschädigung beim Menschen. Furchenwalen (Balaenopteridae), zu denen auch Finn- und Blauwale gehören, verschafft hingegen die Elastizität ihrer Nerven wohl einen evolutionären Vorteil. Diese Tiere öffnen ihr Maul extrem weit, um große Mengen Wasser in ihrem Kehlsack aufzunehmen, der an einen riesigen Ballon erinnert. Mit der Zunge drücken sie das Wasser dann durch ihre Barten wieder aus dem Maul und filtern so Krill und Plankton heraus. Das Volumen des Wassers, das mit einem Schluck aufgenommen wird, kann dabei das Volumen des Wals übertreffen.

Zufällige Entdeckung

Für diese Art der Nahrungsaufnahme haben die Tiere eine anatomisch angepasste Zunge und Fettschicht (Blubber) im Bereich des Mauls. „Wir erkennen nun, dass auch die Struktur der Nerven in diesen Geweben daran angepasst ist“, erklärt der Biologe Wayne Vogl in einer Mitteilung. Diese spezifischen Nerven könnten demnach hilfreich für die Entwicklung der riesigen Körper jener Walarten gewesen sein. Diese Erkenntnis machte das Team der Universität von British Columbia eher zufällig: Einem der beteiligten Forscher fiel im Labor eine matt-weiße, schnurartige Struktur auf, die von einem Finnwal stammte und die sich dehnen ließ. Zunächst dachten die Biologen, dass es sich um Blutgefäße handelte, stellten dann aber fest, dass sie Nervenstränge in den Händen hielten.

„Diese langen Nerven dehnen und ziehen sich zusammen wie Bungee-Seile“, beschreibt Vogl. Bei genauerer Untersuchung stellten die Forscher fest, dass die Nervenfasern den Kern der Stränge bilden und sich nicht dehnen, sondern vielmehr entfalten. Um die Nervenfasern befindet sich wiederum eine sehr dicke und dehnbare äußere Wand elastischer Fasern, die aus Kollagen und Elastin besteht. Reißt der Wal sein Maul auf, entfalten sich die Nervenfasern im Kern des Strangs, während sich die elastischen Fasern darum dehnen.