Das Land will die Nutzung der alternativen Energien – und hier vor allem der Windkraft – voranbringen. Doch das bringt Probleme mit sich, die nun zu lösen sind: Wie soll man mit Fledermäusen, Rotmilanen und Auerhühnern umgehen?

Stuttgart - Seit April 2012 ist Felix Normann „im Geschäft“, wie er sagt: Bei der LUBW, der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, arbeitet er im Kompetenzzentrum Windenergie. Dort wird das derzeit verfügbare Expertenwissen zusammengetragen, um so verbindlich wie möglich einerseits Probleme des Immissionsschutzes – dazu zählen der von den Anlagen verursachte Lärm und Schattenwurf – und andererseits die Folgen für den Arten- und Flächenschutz beurteilen zu können.

 

So will die LUBW den Planern vor Ort sowie den Genehmigungsbehörden beim möglichst naturverträglichen Ausbau der Windenergie im Land helfen. Dazu zählen insbesondere konkrete Empfehlungen, was wie und wo getan werden muss, wenn ein Windrad errichtet werden soll. Der momentane Sachstand wurde jetzt auf einer Tagung zu den Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen zusammengetragen, die von der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg in Stuttgart veranstaltet wurde.

Kollisionsgefahr und Störungen des Lebensraumes

Beim Artenschutz sind es vor allem drei Konfliktfelder, welche die Windkraft mit sich bringt: Kollisionen mit dem Rotor sowie der Verlust an Lebensräumen, wovon vor allem Fledermäuse sowie manche Vogelarten wie beispielsweise der Rotmilan besonders betroffen sein können. Hinzu kommen bei einer Reihe weiterer Vogelarten Störungen durch die Anlagen, worauf die Tiere, so gut es geht, deren Umfeld meiden. Um die möglichen negativen Folgen für den Naturschutz beurteilen zu können, kommt es auf eine sehr differenzierte Betrachtung an. So gilt bei den Fledermäusen zum Beispiel die Breitflügelfeldermaus „nur“ als kollisionsgefährdet, während beim Kleinen Abendsegler zur Gefahr von Zusammenstößen mit dem Rotor noch die Beeinträchtigung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten durch die Windräder kommt.

Besonders groß ist die Kollisionsgefahr für Fledermausarten, die hoch am Himmel fliegen und die bei ihren jährlichen Wanderungen durch Gebiete ziehen, in denen Windräder gebaut werden sollen. Andererseits lässt sich trotz der Anwesenheit solcher Arten der Bau eines Windrads „retten“, wenn beim Betrieb Rücksicht auf die Tiere genommen wird. Konkret kann dies bedeuten, dass die Anlage etwa nachts abgeschaltet wird, wenn wandernde Fledermausarten besonders aktiv sind; und wenn viele Tiere bei Windgeschwindigkeiten von weniger als sechs Metern pro Sekunde am Standort der Windmühle jagen.

Aufwendige Kartierung von Rotmilanen

Bei den Vögeln kann vor allem der Rotmilan (im Bild) Probleme bereiten. Zum einen gilt die Art als kollisionsgefährdet, zum anderen steht Deutschland in einer besonderen Verantwortung, denn hier lebt etwa die Hälfte aller Rotmilane weltweit. Deshalb sollte in Genehmigungsverfahren untersucht werden, ob und wo in einem bestimmten Umkreis der Anlage ein Rotmilan seinen Horst hat.

Gerade in größeren Waldgebieten ist dies aber ein sehr aufwendiges Unterfangen, wie Gunther Matthäus von der Stuttgarter Gruppe für ökologische Gutachten berichtet. So müssen die Biologen zunächst feststellen, ob überhaupt ein Horst vorhanden ist. Und bei diesem muss dann regelmäßig kontrolliert werden, ob er auch belegt ist – was bei dichter Belaubung nicht so einfach ist. Hinzu kommt, dass auch die regelmäßigen Flüge der Vögel zu ihren Jagdrevieren dokumentiert werden müssen. Da kommen pro geplantem Windrad mehrere hundert Stunden zusammen – ein enormer Aufwand, der die Branche der ökologischen Gutachter an ihre Kapazitätsgrenzen bringe, wie Matthäus betont. Immerhin hat die LUBW derzeit eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die bis Ende des Jahres die landesweite Verbreitung des Rotmilans erfassen soll.

Auch Auerhühner können Probleme bereiten

Neben diesem Greifvogel gibt es aber auch noch andere Vogelarten, die beim Bau eines Windrads Probleme bereiten können. Im Schwarzwald ist dies zum Beispiel das seltene Auerhuhn. Die hier noch vorhandenen rund 600 Individuen kommen vor allem in höheren Lagen in wenig vom Menschen genutzten Gebieten vor – und damit auf Flächen, die auch für Windräder interessant sind: Zum einen, weil dort viel Wind weht, zum anderen weil hier die Windmühlen weit weg von Siedlungen sind und damit vergleichsweise wenig stören.

Zwar besteht bei Auerhühnern weniger die Gefahr, dass sie direkt durch Zusammenstöße mit den Rotorblättern getötet werden; dennoch können nach Meinung der Experten Windräder die Tiere stark beeinträchtigen, wenn Balz- und Aufzuchtplätze in der Nähe liegen oder wenn die Anlagen in einem für die Hühner wichtigen Wanderungskorridor gebaut werden. Verschiedene Untersuchungen in den vergangenen Jahren hätten wichtige Erkenntnisse über solche bedeutenden „Auerhuhn-Flächen“ erbracht, wie Rudi Suchant von der in Freiburg ansässigen Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg berichtet. In solchen Gebieten dürften nach seiner Überzeugung keine Windräder gebaut werden.

„Windkraft scheitert nicht am Auerhuhn“

Doch trotz dieser Einschränkungen gebe es noch genügend für den Bau von Windrädern geeignete Flächen: „Die Windkraftnutzung im Schwarzwald scheitert nicht am Auerhuhn“, sagt Suchant und ergänzt: „Unser Motto lautet: pro Auerhuhn – pro Windkraft.“ Dabei wehrt er sich dagegen, dass immer wieder der Naturschutz als „Verhinderer“ an den Pranger gestellt werde – und nennt ein Beispiel: Von drei möglichen windreichen Standorten komme einer nicht infrage, weil das Windrad die Aussicht auf eine Kapelle beinträchtigen würde. Beim zweiten Standort stünde es einer Richtfunkstrecke im Weg. Und beim dritten wäre es zu nahe an einem bekannten Auerhuhn-Balzplatz. „Was verhindert dann den Bau – die Kultur, die Technik oder der Naturschutz?“, fragt er.