Hans-Peter Schmid hat einen ungewöhnlichen Job: Er soll verhindern, dass am Flughafen in Echterdingen Vogelschwärme in die Flieger prallen. Der „Bird Controller“ muss den Launen der Natur gewachsen sein.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - Er ist Gärtner und Jäger. Sein Revier ist der Flughafen. Andere Grünpfleger trimmen die Buchsbäumchen wie Coiffeure. Doch bei Hans-Peter Schmid geht es bodenständig zu: Wiesen mähen, Tiere beobachten, der Natur den Puls fühlen – das sind die Aufgaben des „Tierkollisionsmanagers“ am Echterdinger Flughafen. Das Gelände ist 400 Hektar groß, und hier soll nichts sprießen oder plätschern. Eine lebendige Vegetation lockt Vögel an. Und das kann tödlich sein.

 

Die Erklärung dafür liegt in der Luft. 124 000 Mal landeten und starteten Flugzeuge im vergangenen Jahr in Stuttgart. Am Himmel ist viel Verkehr. Zusammenstöße mit Vogelschwärmen bergen Gefahren. Wie bei der Notlandung auf dem Hudson River in New York vor einigen Jahren: Kanadagänse waren einer Maschine ins Triebwerk geraten. Seit 1974 gibt es in Deutschland ein Gesetz, das jedem Flughafen vorschreibt, jemanden wie Hans-Peter Schmid einzustellen. Manche nennen das „Bird Control“.

Hans-Peter Schmid ist ein ungewöhnlicher Gärtner

Schmid legt Fotos auf den Tisch: eine zerborstene Frontscheibe an einem Flugzeug, die vollkommen zerdellte und mit großen Blutflecken übersäte Vorderseite einer Maschine. Die könne so nicht mehr fliegen, ohne Reparatur. „Stichwort Aerodynamik“, sagt Hans-Peter Schmid. Und die Vögel sind verendet. Damit es gar nicht erst so weit kommt, macht der Mann seinen Job. Er leitet ein Team mit elf Gärtnern. Schmid weiß: Wer es mit der Natur aufnehmen will, der muss vorausschauend denken. Den Vögeln soll es auf dem Gelände nicht gefallen. Schmid ist ein ungewöhnlicher Gärtner, einer, der seine Grünflächen so unattraktiv wie möglich halten muss. Der kräftige Mann nutzt gern Vergleiche, um das Verhalten der Tiere zu erklären. Er sagt: „Das ist, wie wenn ich Ihnen eine schöne Wohnung zeig’ für wenig Geld, da greifen Sie zu.“ Oder: „Wenn Sie in ein Restaurant gehen zum Essen und es gibt nichts Gutes, dann hauen Sie wieder ab.“

Wenn die Vögel Fressen fänden und sich auf den Wiesen wohl fühlten, wollten sie bleiben. Wenn es Wasser in der Nähe gebe, kämen die dicken Enten und Gänse. Und große Vögel machen große Probleme. Hans-Peter Schmid muss wissen, wie er all das verhindern kann, muss die Jahreszeiten, die Launen der Natur genau kennen.

Über Echterdingen kreisen Mäusebussarde und Eulen

Er steht nicht wie ein Jäger mit der Schrotflinte im Dickicht. Der Mann ist ein Tierfreund. „Ich hab nichts gegen Vögel“, sagt er. Seine Mitarbeiter greifen manchmal zur Schreckschusspistole – die letzte Möglichkeit, wenn es nicht mehr anders geht, die „pyroakustische Vergrämung“. Hans-Peter Schmid, 53, arbeitet seit 1987 am Flughafen, seit 1999 in seinem jetzigen Job. Seine Mitarbeiter betreuen auch das Gewächshaus und die Gärtnerei des Flughafens. Wenn für Veranstaltungen und Büroräume Pflanzen gebraucht werden, holen die Angestellten sie hier ab.

Über den Landebahnen in Echterdingen kreisen vor allem Mäusebussarde, Tauben und Eulen. Deren Beute sind Mäuse. Deshalb kommen die Vögel hier her. Wenn die Winter warm sind, so wie dieses Jahr, leben viele Mäuse in den Wiesen. Dann bleibt manchmal nichts, als das schnelle Töten, mit wenigen Kügelchen Zinkphosphid. Wenn es viel regnet, kriechen die Regenwürmer in Scharen auf die Landebahnen. Schmids Mitarbeiter fahren alle vier Stunden über das Gelände, checken die Lage, saugen mit einem Fahrzeug Regenwürmer ein. „Man muss den Vögeln ihr Essen ja nicht auf dem Silbertablett präsentieren“, sagt Hans-Peter Schmid.

Einen Traum hat der Vogelexperte noch

Der Vogelfreund will keine Tiere töten, sucht immer zuerst den natürlichen Weg. Er ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und weiß, dass die Natur sich selbst im Griff hat. Deshalb hat er Füchse angelockt, die reißen den Kiebitz, das Rebhuhn. Das Gras auf den 190 Hektar Grünflächen lässt er nur behutsam düngen. Es soll immer halblang bleiben. So setzen sich die Stare nicht hinein, weil sie ihre natürlichen Feinde dann nicht sehen.

Schmid kann zufrieden sein: Im vergangenen Jahr gab es nur 26 Vogelschläge am Stuttgarter Flughafen. Doch es bleibt eine Herausforderung. Die Stare nehmen zu, oft kommen Möwen vom Neckartal. Dann testet Hans-Peter Schmid neue Ideen. Einmal hat er einen amerikanischen Wüstenbussard fliegen lassen – ohne Erfolg, die heimischen Vögel haben sich nicht für ihn interessiert. „Die haben gesagt: ,Den kenn’ ich nicht, der juckt mich nicht’“, erzählt Schmid. Das Risiko ist außerdem groß: Der Greifvogel könnte selbst mit einem Flugzeug zusammen prallen.

Einen Traum hat der Vogelexperte jetzt. Er möchte sich einen Roboter kaufen. Der soll Stare vergraulen. Es ist eine Drohne in Gestalt eines Wanderfalken. Ein weiterer Vogel am Himmel über Echterdingen.