Die Stuttgarter Zeitung stellt Stuttgarter Bundestagskandidaten vor. Diesmal: Birgitt Bender, die Kandidatin der Grünen im Stuttgarter Norden. Wir haben sie bei einem Wahlkampftermin in Zuffenhausen begleitet.

Stuttgart - Zur Linken verspricht das große Banner an einem Juweliergeschäft gutes Geld beim Goldankauf. Rechter Hand bietet die Apotheke Multivitamine zum Sonderpreis. Dazwischen sind an diesem Samstag an der Unterländer Straße in Zuffenhausen unter dem grünen Sonnenschirm kostenlose Bioäpfel und Gespräche mit Birgitt Bender, Kandidatin der Grünen im Wahlkreis II (Nord), im Angebot.

 

„Ich kämpfe hier um die Zweitstimme“, sagt Bender, die seit 2002 für die Grünen im Bundestag sitzt. In dem Wahlkreis hat zuletzt die CDU das Direktmandat vor den Sozialdemokraten erobert. „Wer Rot-Grün in Berlin will, muss deshalb taktisch wählen“, meint die grüne Kandidatin.

Bei der Bundestagswahl 2009 hat Bender 17,9 Prozent der Zweitstimmen geholt. „Zwanzig Prozent plus wären ein schönes Ergebnis“, hofft sie jetzt. Dafür müsse man bis zum Wahltag am 22. September aber noch viele Rückkehrer aus dem Urlaub und Unentschlossene für die Grünen mobilisieren.

Schlechte Umfragewerte heißt für Bender: Kämpfen

An diesem Wochenende wirbt Bender deshalb unter anderem noch am Rotebühlplatz, auf dem Schlossplatz, auf einer Hocketse in Hofen sowie bei der Feuerbacher Kirbe um Stimmen für die Ökopartei. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen weiß, dass sie kämpfen muss, weil ihre Partei bei den jüngsten Umfragen bundesweit auf zehn Prozent abgesackt ist. Das könne in Baden-Württemberg aber noch für zwölf Listenplätze reichen, meint sie. Bender liegt hinten, sie kandidiert auf Platz elf.

Grund genug also, auf die Wähler zuzugehen, um zu punkten. „Möchten sie einen Bioapfel?“ Die Wählerin möchte und schon ergibt sich ein Gespräch. Bender stellt sich vor. Sie wolle einen Regierungswechsel für ein solidarisches, gerechteres und ein ökologisches Deutschland. Zum gesunden Apfel gibt es auch noch ein paar Informationsblätter zu Kitas, Schuldenabbau und besseren Bildungschancen. Dann muss die ordentlich bepackte Einkäuferin mit den „guten Gründen für Biggi“ in der Tasche weiter. Die U 15 nach Stammheim kommt nämlich in einer Minute, signalisiert die Anzeige an der nahen SSB-Haltestelle.

„Die hohen Mieten in Stuttgart sind ein großes Thema“, weiß Bender aus den Gesprächen mit Wählern. Diese Entwicklung müsse eingedämmt werden. So mancher Bürger ärgere sich auch über zugeparkte Radwege sowie den starken Autoverkehr. Bei jungen Familien stehe das Thema Kitaplatz weit oben. „Wir möchten das Betreuungsgeld abschaffen und die Kindertagesstätten ausbauen“, antwortet Bender. Die Bildungschancen dürften nicht vom Geldbeutel der Eltern bestimmt werden.

Veggie-Day als Basis für Diskussion über Massentierhaltung

Bender freut sich auch, wenn der Veggie-Day, der Vorschlag der Grünen für einen fleischlosen Tag in der Woche, an ihren Infoständen zur Sprache kommt. „Das ist ein guter Aufhänger für Diskussionen über eine gesunde Ernährung und über die Massentierhaltung.“ Letztere dürfe nicht länger subventioniert werden. Die Grünen stünden für ein neues Tierschutzgesetz, das eine artgerechte Haltung vorschreibe. Notwendig sei auch eine umweltfreundliche Landwirtschaft.

Doch längst nicht jeder Passant will einen Bioapfel oder grüne Wahlversprechen. „Die Leute denken oft, man will ihnen etwas verkaufen“, sagt Gisela Siegel, die stellvertretende Sprecherin der Grünen in Zuffenhausen. Und einigen sind die Grünen auch nicht mehr so grün wie früher. „Bei der OB-Wahl habe ich noch für Kuhn gestimmt“, sagt ein Unzufriedener. Aber ob er bei der Bundestagswahl noch einmal Grün ankreuze, sei wegen des fehlenden Widerstands gegen Stuttgart 21 fraglich. Sie sei immer noch gegen das Schienenprojekt, meint Bender. „Wir müssen aber das Ergebnis der Volksabstimmung zur Kenntnis nehmen.“

Lieber geht die Gesundheitsexpertin auf Fragen zur Bürgerversicherung ein. „Die Zwei-Klassen-Medizin mit Zusatzbeiträgen und doppelten Wartezimmern muss abgeschafft werden“, erklärt Bender. In Zukunft müssten alle, auch Abgeordnete, Selbstständige und Beamte, Beitrage zahlen, um das Gesundheitssystem stabil zu finanzieren. Bender hält den Umbau der Finanzierung im Gesundheitswesen für unumgänglich. „Ich erhalte immer mehr Briefe von Senioren, die die hohen Beiträge für ihre private Kasse nicht mehr bezahlen können.“ Dieses wichtige Thema müsse Rot-Grün nach dem Wahlsieg anpacken und umsetzen. „Auch die SPD steht inzwischen hinter der Bürgerversicherung.“