Dem CSU-Chef fliegt seine widersprüchliche Taktik während des Wahlkmapfs um die Ohren. Jetzt will er die rechte Flanke schließen und die CDU zur Obergrenzen für Flüchtlinge zwingen.

München - Wie auch immer der Sonntag läuft, ich werde mit dem, was wir vor gut einem halben Jahr beschlossen haben, mit der Strategie, hochzufrieden sein.“ Man habe die Strategie „millimetergenau realisiert“. Das war Horst Seehofer am vergangenen Donnerstag. Jetzt ist Sonntagabend, eine halbe Stunde ist es her, dass bei jener CSU-Veranstaltung, die als Wahlparty geplant war, die ersten Ergebnisse für nacktes Entsetzen gesorgt haben: Mehr als zehn Prozentpunkte hat die sonst so siegesgewisse bayerische Regierungspartei verloren – und nicht nur das: Sie ist abgestürzt auf ihr tiefstes Ergebnis seit der allerersten Bundestagswahl im Jahr 1949. Nun also tritt der Chef-Stratege Seehofer mit seiner fein weiß-blau rautierten Krawatte vor die Kameras und sagt: „Es gibt nichts schönzureden. Das Wahlergebnis ist eine herbe Enttäuschung.“

 

Seehofer will „klare Kante“ zeigen

Und woran lag’s? An der Flanke nach rechts, die laut Seehofer nach zunächst guten Umfragewerten „seit September offen“ war. Schon bei der Fahrt zur CSU-Zentrale muss er ja gesehen haben, wie selbstsicher die AfD plötzlich aufgetreten ist. Unmittelbar vor dem CSU-Bau hat sie ihr hämisches Plakat aufgestellt: „Wir halten, was die CSU verspricht.“ Anspielend natürlich auf die Sache mit der Obergrenze für Flüchtlinge. Das Plakat steht sogar am Wahlabend noch da. Und Seehofer spricht davon, dass er „jetzt die Flanke schließen“ will mit „klarer Kante und klaren Positionen“.

Horst Seehofer spricht die CDU nicht direkt an; die Angela Merkel, die er in den Wochen zuvor – nach Monaten des Mobbings – geradezu in den Himmel gelobt hat, sie kommt bei seiner ersten bitteren Bilanz am Wahlabend schlicht nicht vor. Weder im Guten noch im Schlechten. Aber gestunken hat Seehofer mächtig, dass die CDU-Chefin „garantiert“ die Obergrenze für Flüchtlinge ausgeschlossen hat – während Seehofers CSU genauso „garantiert“ die Obergrenze einführen will. Und dass in diesen Spalt die AfD ihren Keil treiben konnte, das ist den wenig Feiernden in der CSU-Zentrale klar. Glaubwürdigkeit also verspricht Seehofer am Wahlabend, den „CSU-Bayernplan“ inklusive Obergrenze will er „ohne falschen Kompromiss“ in Berlin durchsetzen. „Mit etwas anderem darf ein Parteivorsitzender nicht aus den Koalitionsverhandlungen zurückkommen.“

Haben sich Seehofers taktische Spielchen gerächt?

Von wegen Glaubwürdigkeit, sagt ein anderer Großer in der CSU: Erwin Huber, der vor zehn Jahren auch schon mal Parteichef war. Für die „Katastrophe“ macht er Seehofers „Schaukelpolitik“ verantwortlich: „Es war falsch, mit einem Bein Merkel zu unterstützen und mit dem anderen sie zu attackieren.“ Andere sagen noch am Wahlabend, der in taktische Personalspielchen verliebte Seehofer, der sich auf der Höhe seiner Macht wähnte, habe überreizt und den Kontakt mit der Realität verloren. Weitermachen? Abtreten? Wen in der CSU gegen wen ausspielen? Da habe Seehofer, meint ein fränkischer CSU-Mann, „die Leute allzu sehr verwirrt.“

Umso auffälliger wirkt es, dass die am Wahlabend fernsehwirksam hinter ihrem Chefstrategen versammelten CSU-Granden allesamt beteuern, es gebe „jetzt keine Personaldiskussion; die würde uns nur schwächen.“ Seehofer selbst hebt hervor, dass die CSU jetzt „geschlossen, einheitlich und sachorientiert“ ihre Positionen vertreten müsse. Und sie müsse „menschlich anständig miteinander umgehen“. Daraus hören viele Leute im Saal durchaus die Angst des CSU-Vorsitzenden, man könnte an seinem Stuhl sägen. Er jedenfalls erklärt sich „fest entschlossen, das Wahldebakel so schnell wie möglich wieder auszubügeln“ – schließlich stehen, darauf weist Seehofer ausdrücklich hin, in zwölf Monaten die Landtagswahlen in Bayern an; sie sind – in welcher Weise auch immer – der Schlusspunkt seiner politischen Laufbahn. Sie dürfen auf keinen Fall schiefgehen.

Und was die Berliner Koalitionsoptionen betrifft, so bekräftigt die CSU mit einem letzten Rest von Selbstsicherheit eines: „Ohne uns kann keine Bundesregierung gebildet werden.“ So sagt es der nüchterne Europaabgeordnete Manfred Weber. Und er lässt „durchaus Sympathie für Jamaika“ erkennen. „Die Wähler wollen Gegenmodelle zur bisherigen Politik, da brauchen wir Mut zu neuem Denken, solange unsere Glaubwürdigkeit erhalten bleibt“. Wie so ein Gegenmodell für Bayern aussieht, wo die CSU seit ewigen Zeiten regiert und alle Ergebnisse, die unter der absoluten Mehrheit bleiben, für nicht standesgemäß erachtet, das muss sich erst herausstellen.