Eilige Autofahrer dürfen sich freuen: Der umstrittene Blitz-Marathon, für den 21. April vorgesehen, findet in Stuttgart und ganz Baden-Württemberg diesmal nicht statt. Warum die Aktion abgesagt wurde, erfahren Sie hier.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Für Autofahrer, die sich durch behördliche Tempojäger abgezockt fühlen, ist es ein besonderer Tag: der bundesweite Blitz-Marathon. Der ist zwar für den 21. April angekündigt – doch in diesem Jahr wird er in Stuttgart wie auch sonst in ganz Baden-Württemberg ausfallen. Das Innenministerium macht eine Vollbremsung: „Die Einsatzbelastung ist so hoch, dass wir nicht noch für eine Sonderaktion separat Beamte abstellen können“, erklärte ein Sprecher von Landes-Innenminister Reinhold Gall (SPD) auf Anfrage unserer Zeitung.

 

Der Blitz-Marathon der Polizei gegen Temposünder ist von Nordrhein-Westfalen bereits angekündigt worden: „Gezielt überprüfen wir die Streckenabschnitte, an denen besonders folgenschwere Unfälle passiert sind“, erklärte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die Aktion soll am 21. April zwischen 6 und 22 Uhr ablaufen, so Jäger.

Damit wird auch in Düsseldorf reduziert: Die Vorläufer-Aktionen hatten zuvor jeweils 24 Stunden gedauert. Die Begründung: Nach einer Studie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen sei die Wirksamkeit zwischen 6 und 22 Uhr am höchsten, heißt es.

Flüchtlinge, Hooligans, Terror – es wird zu viel

Doch Verkehrssicherheit ist das eine, genügend Kräfte das andere. Großeinsätze bei Demonstrationen, wie zuletzt bei den türkisch-kurdischen Krawallen am Sonntag in der Stuttgarter Innenstadt, dazu Dauereinsätze bei Risiko-Fußballspielen bis in untere Ligen, Sicherheitsmaßnahmen bei Flüchtlingsunterkünften, Aufgaben im Bereich der Terrorabwehr: Die Polizeibeamten in Baden-Württemberg schieben laut Innenministerium einen Berg von 1,3 Millionen Überstunden vor sich her. „Deshalb beteiligen wir uns diesmal nicht am Blitz-Marathon“, sagt Rüdiger Felber, Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums, „das lässt sich derzeit den Beamten nicht mehr zumuten.“

1,3 Millionen Überstunden – dabei ist zu berücksichtigen, dass die Polizei allein durch die Dienstplanung einen Bestand von rund 1,1 Millionen Stunden Mehrarbeit aufbaut. Von Januar bis September 2015 haben sich die Mehrarbeitsstunden landesweit um 195 000 Stunden erhöht. 2015 kostete das 2,7 Millionen Euro, für 2016 sind 2,2 Millionen für die Vergütung von Mehrarbeit veranschlagt. Ein Freizeitausgleich sei angesichts der Gefährdungslage immer schwerer möglich, heißt es.

Offenbar ist Baden-Württemberg nicht allein mit der Marathon-Absage. Im Innenministerium an der Neckarstraße sind ähnliche Signale aus Rheinland-Pfalz, Sachsen und Niedersachsen zu hören.

Kein vollständiger Rückzug von der Straße

Allerdings sollten sich eilige Autofahrer nicht zu früh freuen. Denn es gibt da noch die sogenannte Europäische Geschwindigkeitswoche. Bei dieser europaweiten Aktion können Polizeidienststellen eigene Schwerpunkte setzen. Diese Woche findet vom 18. bis 23. April ab. „Damit kann jedes Polizeipräsidium nach eigener Lageeinschätzung aktiv werden“, sagt Sprecher Felber.

Raser, Handy-Sünder und Gurt-Muffel: Die Stuttgarter Polizei wird den Blitz-Marathon ausfallen lassen, aber sich über die Tage nicht gänzlich von der Straße zurückziehen. Bei der europaweiten Wochenaktion will man dabei sein: „Die Verkehrspolizei wird wie üblich kontrollieren und sich je nach Lage von den Revieren unterstützen lassen“, sagt der Stuttgarter Polizeisprecher Stephan Widmann. Wie das genau aussehen soll, darüber gibt es keine Angaben. Die eiligen Autofahrer sollen schließlich nicht jedes Detail vorher wissen.