Maik Baier ist einer der besten BMX-Radrennfahrer im Land. Derzeit macht er seinen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) beim Berufsbildungswerk in Waiblingen und trainiert auch ambitionierte Schüler der Einrichtung.

Waiblingen - Die Verabredung zum Gespräch muss Maik Baier kurzfristig verschieben: Nach dem Training ist er so lädiert, dass er zunächst in ein Krankenhaus muss, um sich verarzten zu lassen. Stürze seien der ganz normale Alltag eines BMX-Rennfahrers, erzählt der 24-Jährige einige Stunden später. Da sitzt er im Olympiastützpunkt in Stuttgart-Bad Cannstatt hinter dem Stadion, zwischen Wasserflaschen, einem Rechner und zwei Großpackungen Energydrinks. Sein Ellbogengelenk ist bandagiert, das Knie geschwollen, schwarzes Lymph-Tape schlängelt sich am Bein entlang.

 

Platzwunden, Sehnenrisse und Knochenbrüche sind keine Seltenheit bei BMX-Rennfahrern wie Maik Baier und seinen Teamkollegen, die bisweilen als „Rampensäue“ tituliert werden. Die erste Rampe, die die Radler nehmen müssen, ist die am Start: acht Meter tief geht es von dort bergab, sobald das Kommando „Watch the gate“ und ein Signalton erklungen sind. In zwei Sekunden beschleunigt Maik Baier sein Rad mit den 20-Zoll-Rädern von Tempo Null auf 65. Das Spezialfahrrad hat einen Gang und eine Bremse am Hinterrad. „Aber die braucht man nur am Ziel.“

Als siebenjähriger Steppke hat er angefangen

Im Jahr 1996 hat Maik Baier, der aus Walheim im Landkreis Ludwigsburg stammt, seine ersten BMX-Rennen gefahren – als siebenjähriger Steppke. „Man muss früh anfangen, um die schwierige Technik zu lernen“, sagt er. Und dass schon der Start eine Herausforderung sei, denn da müssten die Fahrer, acht davon nebeneinander, auf ihren Pedalen balancierend parat stehen, bis die Startklappe fällt und sie losrauschen können. Auf der Strecke wird gerast und gesprungen und mit harten Bandagen gekämpft, die Konkurrenten werden in der Kurve schon mal rausgekegelt. „Wenn man es nicht selbst macht, dann tut es ein anderer“, sagt Baier. „Angst darf man nicht haben. Wenn man das hat, braucht man erst gar nicht zu starten.“

Doch nicht nur die anderen Rennfahrer, auch das eigene Gefährt kann einem gefährlich werden. „Es kommt vor, dass das Rad den Menschen unter Kontrolle hat statt andersherum“, erzählt Maik Baier. Dann schieße der Drahtesel den Fahrer ab wie der Bulle den Reiter beim Rodeo.

Diese Erfahrung machen derzeit auch Schüler des Berufsbildungswerks Waiblingen (BBW), die Maik Baier trainiert. Er macht seit Oktober einen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) mit dem Schwerpunkt Sport an der Sonderberufsschule, die sich um junge Menschen kümmert, welche aus verschiedensten Gründen spezielle Hilfe und das ein oder andere Erfolgserlebnis brauchen. „Ich arbeite im Freizeithaus, weise die Leute im Kraftraum ein und zeige ihnen Übungen.“ Rund zehn Unerschrockene wagen sich zudem regelmäßig mit dem 24-jährigen Rennfahrer in den Sportspeicher, eine zur BMX-Strecke umgebaute alte Lagerhalle, um zu üben und gleichzeitig Selbstbewusstsein zu tanken. „Das große Ziel für Anfänger ist, nicht zu stürzen und ein Gefühl aufzubauen für das Rad. Das dauert schon eine ganze Weile“, erzählt Baier, der vor zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in London gestartet ist. Seine nächste sportliche Herausforderung ist die Weltmeisterschaft, die im Juli in Rotterdam stattfindet.

Manche Schüler wollen gar nicht mehr absteigen

Den BBW-Schülern zeigt er Schritt für Schritt, worauf es ankommt: „Wir machen Grundübungen und fahren langsam über die Hindernisse. Es ist schon schwierig und ein Erfolgserlebnis, da drüber zu kommen, ohne mit dem Pedal aufzusitzen.“ Trotzdem sind die Jugendlichen voll dabei: „Manche wollen gar nicht mehr absteigen.“

Um sich auf internationale Wettkämpfe vorzubereiten, müssen Baier und seine Mannschaftskollegen ins Ausland reisen, denn rund um Stuttgart gibt es zwar einige BMX-Strecken, aber keine, die den internationalen Standards entsprechen. Das werde sich ändern, erzählt Baier. Bei Weil der Stadt solle eine Trainingsroute entstehen, die dem Weltcupstandard entspricht.

Kolumbien, Neuseeland oder Amerika – bei den weltweiten Wettkämpfen ist nicht nur Kraft und Ausdauer gefragt, die Fahrer müssen sich auch schnell an eine neue Strecke gewöhnen, denn keine Route gleicht der anderen, und ein Großteil ist viel zu weit weg, als dass man dort ein Übungstraining absolvieren könnte. Im Winter ist Trainingszeit, im Sommer steht für die Fahrer fast jedes Wochenende ein Rennen auf dem Plan. Maik Baiers Arbeitgeber, die Firma Daimler, hält seinen Arbeitsplatz für die nächsten vier Jahre für ihn frei. Unterdessen kann sich der Industriemechaniker, der im Sportinternat in Bad Cannstatt wohnt, auf den Sport konzentrieren.

Sein nächstes großes Ziel sind die Olympischen Spiele in zwei Jahren, die Qualifikation dafür beginnt Ende Mai. In Rio de Janeiro will er „richtig angreifen“, weiß aber nach seiner ersten Olympiateilnahme in London: „Da ist schon viel Glück dabei.“