Die Clubführung des VfB wehrt sich gegen Kritik an den Umständen der Trennung von Fredi Bobic. Die Republik und auch manche in der Mannschaft wundern sich jedoch eher über den Zeitpunkt.

Stuttgart - Doktor Joachim Schmidt, daran besteht kein Zweifel, ist ein Mann mit ausgeprägtem Stilbewusstsein. Er trägt einen sorgsam gepflegten, grau melierten Oberlippenbart. Und er wählt stets perfekt sitzende Anzüge mit farblich passender Krawatte, auch jetzt noch, da er nach den Jahren als Vertriebschef von Mercedes-Benz in den Ruhestand getreten ist und sich als Aufsichtratschef des VfB Stuttgart nicht mehr um Autos, sondern hauptsächlich um Fußball kümmert.

 

Um Stilfragen geht es auch an diesem Donnerstagmittag. Der VfB hat zu einer außerplanmäßigen Pressekonferenz in die Mercedes-Benz-Arena geladen, wie so oft in den vergangenen Jahren. Mal ging es um neue Trainer, mal um neue Präsidenten – diesmal steht jener Mann im Mittelpunkt, der sonst immer mit oben auf dem Podium saß und jetzt nicht mehr dazugehört: Fredi Bobic, der am Vortag entlassene Manager und Sportvorstand des Bundesligisten.

Unmittelbar vor dem Spiel in Dortmund (2:2) hat der Verein die Trennung bekanntgegeben – ein Zeitpunkt, der in der Republik einige Fassungslosigkeit hervorrief. Und es machte die Sache nicht besser, dass die „Bild“-Zeitung die genauen Umstände der Entlassung zu kennen glaubte. „Manager Bobic per Telefon gefeuert“, so titelte das Blatt balkendick auf der ersten Seite. So etwas kann einem Mann wie Joachim Schmidt nicht gefallen. Und so ergreift er das Wort, noch ehe es der neben ihm sitzende Vereinschef Bernd Wahler („Grüß Gott auch von meiner Seite“) tun könnte.

Wahler: Wir wollen eine Trennung im Guten

„Ich sage es ausdrücklich: Wir wollen diese Trennung im Guten, mit Stil“, erklärt der 66-Jährige und schildert, wie sich die Ereignisse zugetragen haben. Nämlich so: nach der 0:2-Niederlage am Samstag gegen Hoffenheim, die von lauten Bobic-raus-Rufen der Fans begleitet worden war, seien der Aufsichtsrat und der Präsident zu der Entscheidung gekommen, den Manager „mit sofortiger Wirkung“ von seinen Aufgaben zu entbinden. Das habe man eigentlich nach dem Dortmund-Spiel verkünden wollen. Die Medienberichte von der bevorstehenden Trennung jedoch, die auch die Stuttgarter Zeitung veröffentlichte, hätten die Clubführung noch am Spieltag zum Handeln gezwungen – „zum Schutze von Fredi Bobic und zum Schutze des Vereins“, wie Bernd Wahler ergänzt.

Man habe daher den Manager am Vormittag in Dortmund angerufen und ihn um die Rückreise gebeten. Wieder in Stuttgart angekommen sei Bobic dann von der versammelten Vereinsführung von seiner Entlassung in Kenntnis gesetzt worden. Von einem „offenen Gespräch“ berichtet Wahler und davon, dass sein Vorstandskollege „professionell reagiert“ und auch „Verständnis gezeigt“ habe. Also weist auch der Präsident den Vorwurf weit von sich, Bobic am Telefon gefeuert zu haben: „Das ist nicht der Stil des VfB Stuttgart.“

Natürlich gehört es auch zur Wahrheit, dass Fredi Bobic schon vor der Rückreise nach Stuttgart wusste, was die Stunde geschlagen hat. Jedenfalls hatte sich in der Sportschule Kaiserau, wo sich der VfB am Mittwoch auf das Spiel in Dortmund vorbereitete, die Nachricht von der sofortigen Trennung rasch verbreitet. Und nachdem er selbst davon erfahren hatte, suchte der Manager ein letztes Gespräch mit Armin Veh, informierte den Trainer und wünschte alles Gute. Von der Mannschaft verabschiedete sich Bobic nicht mehr. Zu groß wäre die Ablenkung vor dem so wichtigen Spiel am Abend gewesen.

Doch schon gegen Mittag hatte die Nachricht vom Aus des Managers in Spielerkreisen die Runde gemacht. „Über Internet“, wie der Kapitän Christian Gentner am Abend berichtete. Bei der Teambesprechung bestätigte Armin Veh den Fakt. Nur kurz sprach der Trainer darüber, denn weder er noch die Spieler wollten den nächsten Beweis einer fundamentalen Krise des Vereins zu nah an sich heranlassen.

Spieler wundern sich über den unglücklichen Zeitpunkt

Distanz zu den Geschehnissen um Fredi Bobic und den Verein war vor dem Spiel angesagt. Mit Sätzen, die man sich zurechtgelegt hatte. Veh lobte immer wieder den Charakter und die Fähigkeiten des Ex-Managers: „In den drei Monaten, in denen ich Fredi kennengelernt habe, hat er sich einwandfrei verhalten. Er wird seinen Weg als Manager in der Bundesliga machen.“ Bei aller Ernsthaftigkeit fand Veh sogar kurz zu seinem Humor zurück: „Bei uns Trainern heißt es ja immer, dass wir erst richtige Trainer sind, wenn wir einen Rausschmiss hinter uns haben. Da habe ich ihm gesagt: Jetzt bist du ein richtiger Manager.“

Spieler wie Christian Gentner oder Daniel Didavi wunderten sich dagegen über den „unglücklichen Zeitpunkt“ der Bekanntgabe. Doch wie so oft im Fußballgeschäft entwickelten die Ereignisse eine enorme Eigendynamik – und die Entscheidung musste eben schneller verkündet werden, als vielen beim VfB lieb war.

Die Fans und die Medien sollen den Druck unaushaltbar gemacht haben. Foto: dpa

Knapp eine Stunde vor Anpfiff bestätigte der Club schließlich, was alle schon wussten. Offenbar unbeeindruckt davon trat die VfB-Elf anschließend auf dem Rasen auf. Dass sie gar eine Extraportion Trotz oder Wut mit ins Spiel einbrachte, wollte Armin Veh aber nicht gesehen haben. Ohnehin neigt der Coach nicht zu Überinterpretationen und wollte sich erst einmal Detailkenntnis verschaffen. „Ich bitte um Verständnis, aber ich will mich zunächst von Präsident Bernd Wahler informieren lassen, bevor ich weiterrede“, sagte Veh kurz nach Schlusspfiff.

Auch der Kapitän erlegte sich die größtmögliche Zurückhaltung auf, spürte ohne Bobic aber eine gewisse Leere und auch Verantwortung. „Es ist klar, dass wir mit unseren schlechten Ergebnissen zu der Entscheidung des Vereins beigetragen haben“, sagte Christian Gentner, bevor er in den Mannschaftsbus stieg. Fünf Stunden Rückfahrt lagen vor ihm und seinen Kollegen, als das Gefährt um 23.08 Uhr aus dem Stadion in die Nacht entschwand. Zeit, um das 2:2 von Dortmund sowie die Ereignisse rund um das Spiel sacken zu lassen.

Das öffentliche Erscheinungsbild ist ramponiert

Wie es der Anstand gebietet, bedanken sich am nächsten Tag Bernd Wahler („Fredi ist ein Typ mit Charakter“) und Joachim Schmidt („Er hat lange das Gesicht des Vereins nach außen dargestellt“) bei Bobic für die in vier Jahren geleistete Arbeit. Jedoch: „Ohne ihm zu nahe zu treten“, fügt der Aufsichtsratschef an: „Ein Spieleretat von 40 Millionen Euro muss uns in die Lage versetzen, einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen.“ Mit diesem Budget bewege sich der VfB „im Bereich zwischen Platz sechs und acht“ – und das müsse und werde auch sportlich der Anspruch sein.

Vorerst aber ist der Verein weit unten angekommen: auf dem vorletzten Platz in der Bundesligatabelle – und mit einem öffentlichen Erscheinungsbild, das ramponiert ist. Der bundesweit Aufsehen erregenden Trennung kurz vor Spielbeginn jedenfalls ging zu allem Überfluss just in dieser Woche eine Geschichte im „Spiegel“ voraus, die sich sehr kritisch mit dem umstrittenen neuen Vereinsmotto „Furchtlos und treu“ beschäftigte. Das Erscheinungsbild eines Fußballvereins, sagt Präsident Wahler, sei nun einmal „maßgeblich geprägt durch die sportliche Situation“.

Mit der Entlassung von Fredi Bobic verknüpft die Vereinsführung nun „die Hoffnung auf einen Neuanfang“, wie Joachim Schmidt verkündet. Und Bernd Wahler bittet um Verständnis dafür, dass man auf der Suche nach einem geeigneten neuen Manager erst ganz am Anfang sei. Schließlich habe er selbst Fredi Bobic noch vor dem Spiel am Samstag gegen Hoffenheim öffentlich den Rücken gestärkt. „Und unserem Stil entspricht es nicht, ihm das Vertrauen auszusprechen und gleichzeitig schon einen Nachfolger auszuwählen.“