Von der Evakuierung wegen eines Bombenfunds am Böblinger Flugfeld sind am Montagabend tausend Menschen betroffen gewesen. Möglicherweise gibt es noch weitere Sprengkörper.

Böblingen - Sie habe durch die Flugfeld-Unterführung in Böblingen wollen und sei aufgehalten worden. „Ich kam vom Stuttgarter Weihnachtsmarkt. Es hieß, man habe eine Bombe gefunden“, berichtet Christiane Ehrle. „Es kam mir vor wie ein schlechter Scherz“, sagt die 46-Jährige. In ihre Wohnung im Käthe-Paulus-Weg auf dem Flugfeld durfte sie nicht. Stattdessen boten ihr Polizisten an der Absperrung an, den Abend in der Böblinger Kongresshalle zu verbringen, bis die Gefahr vorüber ist.

 

26 S-Bahnen und sieben Regionalzüge fallen aus

In einem Umkreis von 250 Metern vom Fundort der Bombe entfernt mussten am Montagabend tausend Menschen die Häuser verlassen. Vom Leonardo-da-Vinci-Platz wurden 250 mit von der Stadt organisierten Bussen in die Notunterkunft in die Böblinger Kongresshalle gebracht, wo sie stundenlang warteten und bangten. Christiane Ehrle kam sich vor „wie im falschen Film“. Andere Bewohner seien privat untergekommen, sagt der Sprecher des Ludwigsburger Polizeipräsidiums, Peter Widenhorn. Der Bahnhof wurde gesperrt: Von kurz vor 20 Uhr bis 21.35 Uhr fuhren keine Züge. 26 S-Bahnen fielen aus und sieben Züge im Regionalverkehr. 70 Kräfte der Landes- und Bundespolizei waren vor Ort sowie 25 Helfer der Feuerwehr und des Deutschen Roten Kreuzes.

Im Baustellenbüro an der Konrad-Zuse-Straße, wo ein Seniorenheim errichtet wird, war der Anruf wegen des Bombenfunds am Montag gegen 15 Uhr eingegangen. „Ein Mitarbeiter hat mich davon unterrichtet“, sagt der Oberbauleiter Hans Horst Wolff. Er habe sofort seinen Auftraggeber angerufen, die Firma KIAG Grundbesitz. Dort habe er die Auskunft erhalten, dass eine Bescheinigung vorliege, wonach das Gelände kampfmittelfrei sei.

Mehrzweckbombe im künftigen Altenheim

Der amerikanische Sprengkörper GP 500 lbs – eine sogenannte Mehrzweckbombe mit einem Gewicht von 500 britischen Pfund – lag in einem geplanten Lichtschacht im Innenbereich des künftigen Altenheims. „Ein halber Meter etwa hat gefehlt, und sie wäre nicht entdeckt worden“, berichtet Jürgen Göb, der die Bombe mit seinem Kollegen Daniel Kuhn vom Kampfmittelbeseitigungsdienst erst freilegen musste, bevor er die beiden Zünder herausdrehen konnte. Sie hätten 123 Kilogramm Sprengstoff detonieren lassen können. Eine solche Explosion lässt Splitter mehr als einen Kilometer weit fliegen.

Nein, mit Angst sei er nicht daran gegangen, sagt der 65-Jährige, der rund 60 solcher explosiven Exemplare entschärft hat. Um 21 Uhr am Montagabend hatten die beiden ihre Arbeit aufgenommen. Nach 25 Minuten sei die Sache erledigt gewesen, sagt Widenhorn. „Ich habe nicht auf die Uhr geschaut“, sagt Göb. „Das schlimmste ist das Warten gewesen, bis wir anfangen konnten.“ Die Evakuierung, von der auch das Einkaufszentrum Mercaden mit 6000 bis 7000 Kunden betroffen war, hatte etliche Stunden länger gedauert als geplant. „Meine Tochter lag zu Hause in der Badewanne und war telefonisch nicht zu erreichen“, berichtet Ehrle.

50 Bomben auf dem Flugfeld geborgen

Auch am Tag danach sei sie noch sehr beunruhigt: „Sitzen wir auf dem Flugfeld etwa auf einem Pulverfass?“ Bei den 700 auf Luftbildern gefundenen Bombeneinschlägen aus dem Zweiten Weltkrieg sei davon auszugehen, „das zehn bis 15 Prozent Blindgänger waren“, erklärt Ralf Vendel, der Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. 50 Fliegerbomben waren vor der Bebauung des Flugfeldes geborgen worden. „Der Bund hatte eine private Räumungsfirma mit der Beseitigung der Sprengkörper beauftragt. Laut der vertraglichen Vereinbarung hatten wir nur zehn Prozent der bearbeiteten Fläche zu überprüfen“, sagt Vendel. „Möglicherweise hat die Sonde während der Bodenkontrolle nicht angeschlagen, weil das Erdreich zu verunreinigt war“, meint Göb.

Thomas Gruseck, der Bauleiter des Zweckverbands Flugfeld, macht sich nichts vor: „Wir haben keine hundertprozentige Sicherheit. Ein Restrisiko, dass noch Bomben gefunden werden, gibt es weiterhin.“