Sieben Bürgerstiftungen gibt es im Kreis Böblingen. Die jüngste ist kürzlich in Renningen gegründet worden. Die Organisationen in den anderen Städten und Gemeinden des Kreises sind eine feste Größe im kommunalen Leben.

Böblingen - Sie bereichern das Leben in Städten und Gemeinden, machen neue, kreative Sport- und Kulturangebote möglich, bündeln und stärken ehrenamtliches Engagement: die Bürgerstiftungen. Erst jetzt wurde die Renninger gegründet. Ältere Stiftungen dieser Art im Kreis wie die in Böblingen, Sindelfingen und Herrenberg sind längst zu einer festen Größe in den Städten geworden.

 

Konkrete Projekte, die die Renninger Bürgerstiftung einmal unterstützen will, kann der frisch gekürte Stiftungsvorsitzende Bernhard Maier noch nicht nennen. Dazu ist die Stiftung noch zu jung, rechtsfähig ist sie erst seit dem 7. August dieses Jahres – und der ehemalige Renninger Bürgermeister und Altlandrat Maier ist zu kurz im Amt. Wofür die Zinserträge aus dem Stiftungskapital von zurzeit knapp 133 000 Euro eingesetzt werden, kann er noch nicht sagen. Darüber müsse er mit seinen Mitstreitern erst einmal „hirnen“, wie Maier neudeutsch sagt. Doch für ihn steht schon jetzt fest: unterstützt würden Projekte, und die Finanzspritzen seien Hilfe zur Selbsthilfe.

Denn Bürgerstiftungen verstehen ihre Rolle nicht als die eines Lückenbüßers für klamme Kommunen, sondern vielmehr als „Ergänzung“ zum städtischen Angebot, wie Angela Schulz vom Vorstand der Herrenberger Bürgerstiftung sagt, oder als „Initiator“, wie der Vorsitzende der Sindelfinger Bürgerstiftung, Jürgen Hubbert, meint.

Die Herrenberger Stiftung ermöglicht Musikunterricht

Als Beispiel nennt die ehemalige Rektorin des Herrenberger Andreae-Gymnasiums die Idee für den Musikunterricht an allen Grundschulen. Weil sich in dem Fach Mensch, Natur, Kultur – kurz MNK – kaum mehr Lehrer mit einer Musikausbildung fänden, werde das Fach immer weniger unterrichtet. Das wollte die Bürgerstiftung nicht hinnehmen – und ließ sich was einfallen. 20 000 Euro aus zwei Großspenden investierte sie in wenigstens eine Stunde Musikunterricht in der Woche für alle Grundschüler, engagierte dafür extra Fachkräfte, die zusammen mit den Lehrern die Stunden bestritten.

„Der Erfolg war riesig“, sagt Angela Schulz, „wir führen es als Partnerschaftsprojekt weiter.“ Das heißt konkret, dass die Stiftung nur noch die Hälfte der Kosten für den Musikunterricht übernimmt, die andere müssen die Schulen selbst aufbringen, wenn sie mitmachen wollen.

So hält es auch die Böblinger Bürgerstiftung. Erst kürzlich habe sie für den Böblinger Reitverein quasi ein „halbes Voltigierpferd gesponsert“, sagt Michael Fritz, der Stiftungsvorsitzende. „Wir sind immer nur Co-Finanzier“, nennt er eine der Maximen der Stiftung bei der Geldvergabe. Die andere ist: „Wir machen keine Dauerfinanzierung.“ Genau genommen gilt das sogar für das Erfolgsprojekt der Böblinger Bürgerstiftung – den Kompaktkurs „Schwimmen – ich lern’s!“ für Grundschüler in den Sommerferien. Seit Jahren schon finanziert die Stiftung das Angebot, doch werde darüber, so Fritz, jedes Jahr aufs Neue entschieden.

Die Förderung lokaler oder regionaler Angebote sei eines der Kennzeichen von Bürgerstiftungen, sagt Sebastian Bühner. Er ist Pressereferent des Kompetenzzentrums Initiative Bürgerstiftungen (IBS), das zum Bundesverband Deutscher Stiftungen gehört. Da der Begriff Bürgerstiftung nicht geschützt ist, hat der Dachverband die zehn Merkmale und ein Gütesiegel für Bürgerstiftungen entwickelt. Typisch für sie sind etwa die vielfältigen Satzungszwecke, die Vielzahl an Stiftern, ihre Unabhängigkeit von Parteien, Gewerkschaften und Konfessionen und die Ehrenamtlichen, die den Großteil der Arbeit erledigen. „Ohne sie wären viele Dinge nicht zu stemmen“, betont Angela Schulz von der Herrenberger Bürgerstiftung.

Ohne das Geld der Bürgerstiftungen auch nicht. Aus deren Zinserträge seien im vergangenen Jahr bundesweit knapp 20 Millionen Euro in die regionalen Projekte geflossen, so der IBS-Pressereferent Bühner. Rund 30 000 Euro kann die Böblinger Bürgerstiftung inzwischen im Jahr verteilen, ihr Sindelfinger Pendant kommt mit Spenden auf insgesamt 45 000 bis 50 000 Euro, die jährlich verteilt werden. Beide zählen zu den „Stiftungsmillionären“, beträgt ihr Kapitalstock doch mehr als eine Million Euro.

Niedrige Zinsen bereiten Probleme

Sowohl Michael Fritz aus Böblingen als auch Jürgen Hubbert aus Sindelfingen beklagen die zurzeit niedrigen Zinsen. Um ihren Zweck zu erfüllen, sind sie angewiesen auf Spenden, die sofort in Projekte fließen. Oder auf weitere Zustiftungen, die dem Grundkapitel zugeschlagen werden. Die Bereitschaft, Geld zu spenden oder Zeit zu opfern oder gar beides, ist für Fritz ein Zeichen dafür, dass sich die Aktiven mit ihrer Stadt identifizierten.

Das Bestechende an der Idee der Bürgerstiftungen sei, so sagt es Fritz’ Vorgänger Klaus-Georg Hengstberger, dass jeder im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten das Leben in seiner Kommune unterstützen und damit gestalten könne. In Sindelfingen habe die Bürgerstiftung im Leben der Stadt eine feste Rolle eingenommen, beobachtet Hubbert: „Sie hilft dabei, Sindelfingen lebens- und liebenswerter zu machen.“

Vielfältige Stiftungszwecke

Böblingen - Ob Integrationsprojekte, preisgekrönte Theaterstücke oder die Förderung sportlicher Aktivitäten – die Palette der Bereiche, in die das Geld der Bürgerstiftungen fließt, ist bunt gemischt. Und sie richtet sich nach dem festgeschriebenen Zweck der jeweiligen Organisation. Hier eine Auswahl:

Eine Fülle an Vorhaben hat die Bürgerstiftung Böblingen in den vergangenen neun Jahren unterstützt. Ihr geht es vor allem um ein besseres Zusammenleben in der Stadt. Dafür werden Mütter mit Migrationshintergrund dabei gefördert, die deutsche Sprache zu lernen. Beim Schulzirkus Lisamartoni wiederum lernen Schüler des Böblinger Lise-Meitner-Gymnasiums und der Sindelfinger Martinsschule, einer Förderschule, neben motorischen Fertigkeiten unter anderem auch etwas über Teambildung. Mehr über die Aktivitäten der Stiftung findet sich auf der Website der Stadt: www.boeblingen.de unter dem Pfad Bürgerpolitik – Bürgerengagement – Bürgerstiftung.

Am Jerg-Ratgeb-Skulpturenpfad beteiligt sich die Bürgerstiftung Herrenberg ebenso, wie sie den Musikunterricht an Grundschulen unterstützt. Geld gab sie auch für das Ausbildungsprojekt der Gemeinnützigen Wohn- und Werkstätten, bei dem junge behinderte Menschen einen roten Porsche-Traktor restaurierten. Informationen über weitere Projekte finden sich auf der Stiftungs-Homepage www.buergerstiftung-herrenberg.de.

Die Sindelfinger Bürgerstiftung hat sich den Feldern Jugend, Integration, Bildung/Ausbildung und dem Dialog der Generationen verschrieben. Mit dem von ihr initiierten Theaterstück „Alte Koffer – Neue Träume“, das am Vorabend der Hochzeit einer Türkin mit einem Deutschen spielt, erhielt sie im vorigen Jahr 15 000 Euro von der Herbert-Quandt-Stiftung. Auch die Idee zur Schlau-Schau stammt von der Bürgerstiftung. Im Rahmen der Wissenstage beschäftigen sich Schüler vor allem mit Fragen aus den Bereichen Mathematik und anderer naturwissenschaftlicher Fächer. Die Forschungsergebnisse werden im Sindelfinger Breuningerland präsentiert. Mehr dazu lesen kann man auf Homepage www.buergerstiftung-sindelfingen.de.

Wünsche von Kindern und Senioren wiederum erfüllt die Bürgerstiftung Waldenbuch mit ihren gezielten Aktionen. Darüber hinaus zeichnet sie auch besonders engagierte Schüler aus. Mehr Informationen finden sich auf der Homepage www.buergerstiftung-waldenbuch.de.