Ein 35-Jähriger hat Vereinskameraden und Verwandte betrogen. Seine Mutter war seine Komplizin.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Das menschliche Urteil lautet: Geldgier, gepaart mit Selbstüberschätzung. „Das erleben wir leider oft bei jungen Bankkaufleuten“, sagt der Richter Werner Kömpf – dass der Versuch, als Freiberufler „an einem Tag so viel Geld zu verdienen wie andere im Monat“, mit einem Betrugsprozess endet, weil der Traum vom schnellen Geld häufig mit einem Berg von Geschäftsschulden endet. Das tatsächliche Urteil lautet: Ein Jahr und sechs Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Was ausgesprochen milde ist.

 

Vor dem Richtertisch sitzt ein 35 Jahre alter Bankkaufmann, neben ihm seine Mutter, als Mitangeklagte. Sie hat Geld veruntreut, aus Sorge um das Wohl ihres Kindes, wie das Gericht befindet und ebenfalls Milde walten lässt. Die Frau muss 2700 Euro Strafe zahlen. Der Schaden, den sie verursacht hat, summiert sich auf 3700 Euro. Das Geld hatte sie für ihren Sohn aus der Kasse der Frauengruppe eines Kleintierzuchtvereins abgezweigt. Der Verein schloss sie aus, verzichtete aber auf eine Anzeige. Ihr Sohn war Kassierer des Clubs. Tatsächlich kassierte er für sich von verschiedenen Vereinskonten fast 6000 Euro.

Auf dem Angeklagten lasten 165 000 Euro Schulden

Die einstigen Kleintierzuchtkameraden waren nicht die einzigen, deren Vertrauen der 35-Jährige missbrauchte. Von einem Ehepaar aus der Verwandschaft lieh er sich 7000 Euro, wohl wissend, dass er die Schuld nicht zurückzuzahlen konnte. So ist es erwiesen. Der Angeklagte hat ohne Einschränkung gestanden. Heute noch lasten auf ihm etwa 165 000 Euro Schulden. Das Gericht veranlasste unter anderem zur Milde, dass der Mann sich bemüht, den Schaden auszugleichen. Monatlich fließen rund 1000 Euro von seinem Gehalt an verschiedene Gläubiger. Er wird bis zur gesetzlichen Grenze hinunter gepfändet.

„Ich würde alles tun, um die damalige Zeit ungeschehen zu machen“, sagt der 35-Jährige. Ein weiterer Grund für Milde ist, dass diese Zeit Jahre zurückliegt. Seit 2012 hat der Angeklagte keine Straftat mehr begangen. Nach seiner Aus- und Fortbildung bei der Bank wurde das vielversprechende Finanztalent früh zum Filialleiter befördert. Allerdings endete die Karriere im Burnout. Ein Freund brachte ihn auf den Gedanken, dass eine Laufbahn als selbstständiger Finanzberater erfolgversprechender wäre. Aber die zerschellte an Abhängigkeit von Alkohol und Psychopharmaka. „Ich dachte, ich hätte meine Geschäfte im Griff“, sagt der Angeklagte. „In Wahrheit hatte ich vollkommen den Überblick verloren“. Um ihm aus der Not zu helfen, hat sich auch die Mutter verschuldet. 20 000 Euro Darlehen zahlt sie heute noch in monatlichen Raten von 250 Euro ab.

Inzwischen arbeitet der 35-Jährige als Kaufmann bei der Kirche. Er ist therapiert und trinkt seit vier Jahren keinen Alkohol mehr. „Ohne den irrwitzigen Entschluss, sich selbstständig zu machen, wäre mein Mandant heute nicht hier“, sagt der Verteidiger Thomas Mende. Delikte wie Urkundenfälschung und das illegale Kassieren von Provisionen eingeschlossen, hätte sich aus der Summe der Taten eine mehrjährige Haftstrafe errechnet. Tatsächlich wollte auch die Staatsanwältin den Angeklagten nicht ins Gefängnis schicken. Sie beantragte zwei Jahre Haft auf Bewährung.