Bei einer Katastrophenübung am Samstag proben Hunderte Retter den Ernstfall eines Giftgasunfalls bei einer Chemiefabrik.

Böblingen - So mancher Langschläfer aus einer der Wohnungen der Schönaicher und Nürtinger Straße in Böblingen dürfte sich am Samstagmorgen verwundert die Augen gerieben haben, als er sich gegen 10.30 Uhr zum Brötchenholen aufmachte. Das Szenario auf der gesperrten Straße erinnerte an einen Katastrophenfilm aus Hollywood: Unförmige Gestalten in gelben und silberfarbenen Gummianzügen und mit verspiegelten Schutzhelmen bewegten sich schwerfällig auf der Straße. Dabei handelte es sich weder um Aliens noch um Darsteller eines Science-Fiction-Drehs, sondern um 140 Feuerwehrleute aus dem Kreis. Hinzu kamen viele Helfer des Deutschen Roten Kreuzes, der Polizei, des technischen Hilfswerks und des Landratsamts. Sie alle probten den Ernstfall.

 

Das Szenario: Bei der Firma Schill und Seilacher hat es einen Chemieunfall gegeben. Ein Tanklaster, gefüllt mit Phosphortrichlorid, hat ein Leck. Die chemische Flüssigkeit läuft aus. Kommt sie mit feuchter Luft in Verbindung, fängt sie an zu rauchen. Die ätzenden Gase können die Schleimhäute empfindlich reizen. In größeren Mengen sind die Gase gefährlich. Und beim Unternehmen Schill und Seilacher kann es solche Mengen geben.

„Wir haben zwei chemieverarbeitende Betriebe im Landkreis“ , sagt Dusan Minic, der Pressesprecher des Landratsamts. „Alle paar Jahre muss überprüft werden, ob die Notfall- und Einsatzpläne für einen Unfall auch funktionieren.“ Deshalb halten sich die Feuerwehrleute – obwohl es nur eine Übung ist – strikt an jedes Detail des Plans. Nur in besonderen Schutzanzügen, die die Einsatzkräfte vor dem gefährlichen Gas schützen, dürfen sie sich dem lecken Tanklaster nähern und die auslaufende Flüssigkeit beseitigen.

Nach ihrem Einsatz müssen die Feuerwehrleute zuerst in die Dusche. Dort werden ihre Anzüge dekontaminiert. In extra aufgebauten Spezialzelten ziehen sich die Retter anschließend um. Die Schutzanzüge werden dann gesondert gesammelt und zur Reinigung in die Feuerwehrwerkstatt gebracht. Zwei Umweltschutzeinheiten haben die Wehren im Kreis Böblingen: eine in Sindelfingen und einen Zug in Herrenberg. Letzterer ist am Samstag bei der Übung dabei, zudem Feuerwehrleute aus Böblingen, Schönaich und Holzgerlingen.

Interessiert verfolgen etliche Anwohner in Böblingen den Testlauf. Auch die Nachbarn in der Panzerkaserne der US-Army wurden informiert und haben Beobachter der kaserneneigenen Polizei und Feuerwehr geschickt, die das Geschehen aufmerksam beobachten und mit den deutschen Kollegen fachsimpeln.

Am Ende kann der Kreisbrandmeister Guido Plischek erleichtert aufatmen. Wäre dies ein Ernstfall gewesen, hätten die Retter alles im Griff gehabt. Auch Verletzte gab es nicht zu beklagen.

Noch eine gute Nachricht: Auch das Warnsystem Katwarn, das über eine spezielle Smartphone-App die Bürger im Umkreis über die Gefahr informiert, hat funktioniert. Um 10.15 Uhr ging die Warnung raus: „Probealarm“. Eine halbe Stunde später kam die Entwarnung.