Namik Hrle ist bei IBM zum Fellow ernannt worden, weil er so ausgezeichnete Arbeit leistet. Er ist erst der Sechste aus Deutschland, der diesen Titel erhält.

Böblingen - Wenn Namik Hrle einen Geldautomaten benutzt, fühlt er sich ziemlich gut. Das hat allerdings nichts mit den Beträgen zu tun, die sich auf seinem Konto befinden – sondern mit der Technik, die in der Maschine steckt. Es ist nämlich seine Technik. Der Ingenieur arbeitet im Böblinger Forschungslabor des Computerherstellers IBM daran, dessen Großrechner zu verbessern. Und das hat er so gut getan, dass er jetzt von seiner Firma zum Fellow ernannt wurde. In diesen illustren Kreis von Wissenschaftlern und Entwicklern haben es seit 1963 erst 257 Mitarbeiter geschafft, Namik Hrle ist der sechste aus Deutschland. „Die Auszeichnung ist eine riesige Ehre“, sagt er. Natürlich sei er stolz, aber vor allem demütig, dass er nun bei IBM in einem Satz genannt werde mit Menschen, die einen Nobelpreis gewonnen hätten.

 

Nicht sexy, aber ein Kraftprotz

Den Eingang des Forschungslabors ziert eine Wall of Fame: „Top Inventors of the Lab“ steht über der Porträtgalerie, die besten Erfinder erhalten dort einen Ehrenplatz. Die Information unter Namik Hrles Foto ist längst nicht mehr aktuell, die Zahl seiner Patente auf mehr als 20 gestiegen und der Fellow Award noch nicht vermerkt. „Es sieht nicht sexy aus, aber es ist ein Kraftprotz“, sagt der 58-Jährige über sein Entwicklungsgebiet, den Mainframe. Er spricht Englisch, weil er auf Deutsch höchstens über Fußball plaudern kann und weil ihn in dieser Branche dann jeder versteht. Als Rückgrat der Weltwirtschaft bezeichnet er die Großrechner, ihre Aufgabe und damit seine Tätigkeit seien „mission critical“, also schlichtweg entscheidend.

Über Mainframes strömen schließlich die Daten des globalen Waren- und Finanzflusses. 71 Prozent der 500 umsatzstärksten internationalen Unternehmen nutzen die IBM-Server, von den 100 größten deutschen Firmen sind es sogar 95 Prozent. 96 der 100 größten Banken setzen diese Maschinen ein, 23 der größten 25 US-Einzelhändler, neun der zehn größten Versicherungen. Pro Sekunde werden weltweit etwa 40 000 Transaktionen über die Großrechner abgewickelt, etwa wenn mit einer Kreditkarte bezahlt wird, Geld abgehoben, ein Versicherungsfall bearbeitet, eine Reise gebucht oder ein Buch bestellt wird. Namik Hrle hat das bestehende System um zwei Fähigkeiten erweitert: Er machte es kompatibel für Programme von SAP, dem weltweit viertgrößten Hersteller von Unternehmenssoftware. Und er beschleunigte die Datenanalyse um den Faktor 100. „IBM gibt mir die Möglichkeit, an Problemen des wirklichen Lebens zu arbeiten“, sagt er.

„Sie kommen freiwillig?“

Das tut Namik Hrle nun seit fast 20 Jahren. 1995 kam er als Berater nach Böblingen – schon damals aufgrund einer Eigenentwicklung. Der gebürtige Bosnier hat in Kroatien Mathematik und Informatik studiert. Aus „beruflicher Neugier“ zog er 1989 nach Australien, „und dort war es exzellent“. Als er seinen australischen Pass bei der Einreise nach Deutschland zeigte, fragte der Zöllner entgeistert: „Sie kommen freiwillig?“ Über diese Episode muss Namik Hrle noch immer herzhaft lachen. Im Forschungslabor sei er auf ein phänomenales Team von Experten gestoßen. „Ich habe in der Tat eine Menge Zeug erfunden“, sagt er, „aber es war nie eine Ein-Mann-Show.“ Chief Technical Officer heißt seine Position im IBM-Duktus, er ist der technische Kopf des Labors mit seinen 300 Mitarbeitern.

Um seine Arbeit zu beschreiben, zieht Namik Hrle ein Fahrzeug mit Hybridmotor heran. „Der Fahrer erlebt es als ein Auto“, erklärt er, „aber unter der Haube stecken zwei Motoren.“ Auf die Informatik übertragen, bedeutet sein Ansatz, dass er nicht nur eine Software schreibt, sondern die Architektur des Systems neu entwirft, indem er mehrere, verschiedene Arten von Computern aneinanderreiht. Während seine Kollegen in den 80er Jahren mit der Entwicklung des Rastertunnelmikroskops und der Entdeckung des ersten Hochtemperatursupraleiters dem Unternehmen vor allem Prestige brachten, weil sie einen Nobelpreis gewannen, hat Namik Hrle mit seinen Innovationen seinem Arbeitgeber viel Umsatz beschert. „Einen Nobelpreis gewinne ich höchstens in meinem nächsten Leben“, sagt er und lacht, „aber ich bin zufrieden.“

Schmeichelhaft: Gini kannte seine Entwicklungen

Immerhin konnte er Virginia Rometty treffen, Gini sagen sie bei IBM zu ihrer Chefin. Und Gini, die mehr als 430 000 Mitarbeiter und Tausende von Produkten überblicken muss, kannte seine Entwicklungen. „Das war sehr schmeichelhaft“, sagt Namik Hrle. Als Fellow wird er jetzt noch mehr reisen als bisher. Bei der Kundschaft kommt der Titel an, im Unternehmen hat er viel Gewicht. Und er öffnet Türen außerhalb von IBM. Der Ingenieur ist nun auch technischer Botschafter seiner Firma für Norwegen und dort dann an Universitäten und öffentlichen Einrichtungen als Experte gefragt. Das Einzige, was diese Auszeichnung wohl nicht befördern wird, sind seine Deutschkenntnisse. „Das Einzige, was ich in dieser Gegend mache, ist spazieren gehen“, sagt Namik Hrle zu seinem Leben außerhalb von IBM.

Gutes Business in Deutschland

Gutes Business in Deutschland Stamm Vor 103 Jahren ist die International Machines Corporation (IBM) in den USA gegründet worden. Die Firmengeschichte begann mit der Auszählung und Erfassung per Lochkarten eingegebener Daten. Heute ist IBM eines der weltweit führenden Unternehmen für Hardware, Software und Dienstleistungen im IT-Sektor. 2013 wurde damit ein Umsatz von mehr als 72 Milliarden Euro erzielt. Zweig
Von Anfang an hatte IBM einen Lizenznehmer in Deutschland. Daraus wurde die IBM Deutschland GmbH, die bis 1972 in Sindelfingen saß, dann in Stuttgart-Vaihingen und seit 2009 in Ehningen ist. Der IT-Riese beschäftigt hierzulande 20 000 Menschen. Ast In Böblingen besteht seit 1953 eine der größten Forschungseinrichtungen von IBM. Dort wird unter anderem das Systemdesign für den weltweit gebräuchlichsten Großrechner entwickelt. Er brachte 2013 elf Milliarden Euro Umsatz.