Beim sogenannten Speed Dating der Industrie- und Handelskammer kommen sich junge Bewerber und Personalsucher von Firmen schnell näher.

Böblingen - Zehn Minuten. So lange haben die Firmenvertreter Zeit, sich einen Bewerber anzuschauen. Zehn Minuten müssen auch den Kandidaten reichen, um ihr Gegenüber so neugierig zu machen, dass es zumindest für ein zweites Treffen reicht. Was bisher nur in der Dating-Branche üblich war, ist jetzt auch im Berufsleben eingezogen: sogenannte Speed Datings – Bewerbungsgespräche im Schnellverfahren. Die Böblinger Kammer der Industrie- und Handelskammer (IHK) hatte dazu eingeladen. „Es gibt noch etliche Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Und viele Firmen haben offene Stellen. Die wollen wir zusammenbringen“, sagt Christiane Schullerus-Sixt von der IHK.

 

70 junge Leute folgten der Einladung, sieben Firmen nutzten die Chance, auf den letzten Drücker noch freie Stellen zu besetzen. „Wir suchen aktuell noch zwei Auszubildende als Einzelhandelskaufleute“, sagt Kerstin Burkhardt vom Sindelfinger Breuningerland. Drei freie Stellen offeriert das Möbelhaus XXXL Gamerdinger. „Wir haben viele Bewerbungsgespräche in den vergangenen Monaten geführt, leider waren nicht viele qualifizierte Leute dabei“, sagt Romana Pranic, die Ausbildungsbeauftragte bei dem Möbelhaus. Vom Speed Dating erhofft sie sich deshalb viel.

Zeugnis interessiert beim ersten Eindruck nicht

Der Vorteil für die Bewerber: das Zeugnis interessiert – anders als in normalen Verfahren – zunächst einmal nicht. Vorlegen müssen die jungen Leute lediglich einen Lebenslauf. Dann kommt es darauf an, die potenziellen Arbeitgeber im Gespräch zu überzeugen. Christian Krüger will seine Chance nutzen. „Ich habe schon viele Bewerbungsgespräche geführt, aber bisher nur Absagen bekommen“, sagt der 19-jährige Leonberger. Doch beim Zehn-Minuten-Talk mit den Chefs des Lebensmittel-Discounters Norma kann er punkten. „Ein starker Kandidat“, findet Benjamin Domin, der für die sieben Norma-Filialen in der Region Stuttgart zuständig ist. Christian Krüger erhält eine Einladung zu einem zweiten Gespräch in der Firma. Die Perspektive, die das Unternehmen ihm bietet, ist glänzend. „Gute Leute übernehmen wir oft gleich nach der Ausbildung als Filialleiter“, wirbt Benjamin Domin.

Die Kriterien von Domin und seinem Kollegen Michael Skrenovic sind klar definiert: „Wir brauchen Leute, die zupacken können, schnell sind und sehr belastbar“, sagt Skrenovic. Nicht jeder Bewerber erfüllt diese Voraussetzungen. „Sie sind zu zurückhaltend. Sie würden bei uns untergehen“, sagt Domin zu der 16 Jahre alten Anna. Er rät ihr lieber zu einer Ausbildung in einem Fachgeschäft: „Ich glaube, Ihnen liegt mehr die Kundenberatung. Die gibt es bei uns nur wenig.“ Auch Patrick fällt bei Domin durch. „Sie hätten sich vor dem Gespräch über unser Unternehmen informieren sollen. Ich habe den Eindruck, Sie wissen noch nicht so genau, was Sie wollen“, sagt er zu dem 17-Jährigen.

Patrick nimmt es gelassen. Einen Platz in einem Berufskolleg hat er schon sicher. Aber lieber möchte er eine Ausbildung machen, hat sich aber bisher noch nicht richtig darum gekümmert. Sein zweites Speed-Dating-Gespräch bei der Firma Huissel läuft besser. „Ich soll meine Bewerbungsunterlagen schicken und werde dann zum Gespräch eingeladen“, freut er sich.

Die Atmosphäre ist locker

Zufrieden sind auch die Firmenvertreter. „Das ist eine gelungene Aktion“, findet Benjamin Domin. „Weil wir nicht so bekannt sind, erhalten wir nur wenige Bewerbungen von zumeist wenig qualifizierten Leuten. Doch hier haben wir die Möglichkeit, uns zu präsentieren. Und es sind einige starke Bewerber dabei.“ Mit 14 Leuten haben Domin und sein Kollege Skrenovic Gespräche geführt, mindestens fünf wollen sie sich näher anschauen.

Auch Ramona Pranic vom Möbelhaus XXXL Gamerdinger hat zwei potenzielle Auszubildende gefunden. „Das Speed Dating ist eine gute Idee“, findet sie. „Die Atmosphäre ist entspannt.“ Das empfinden auch die Bewerber so. „Es ist viel lockerer als in normalen Bewerbungsgesprächen“, sagt Christian Krüger, der schon reichlich Erfahrung gesammelt hat.

Dieses Mal geht er nicht mit leeren Händen nach Hause. Einen Ausbildungsvertrag hat er zwar noch nicht, aber der ist beim Speed Dating einen Schritt näher gerückt.