Das Amt für Lebensmittelkontrolle im Landratsamt kommt kaum mit der Arbeit hinterher. Die Betriebe müssen in Risikogruppen aufgeteilt werden.

Böblingen - Die Eistheke hat ein reichhaltiges Sortiment: von Amarena über Joghurt bis zu Papaya. Jochen Wagner, einer der Lebensmittelkontrolleure des Landratsamts, entscheidet sich dieses

 

Mal für Himbeere, im vergangenen Jahr hat er in dem Sindelfinger Betrieb Erdbeereis unter die Lupe genommen. Auch dieses Mal forderte das Stuttgarter Chemische- und Veterinär-Untersuchungsamt (CVUA) ein Fruchteis zur Probe an. Mehr als zehn Eisanbieter hat der 48-Jährige in seinem Bezirk, die er regelmäßig besucht. Andere der insgesamt 557 Unternehmen in seinem Sprengel kann er lediglich „risikoorientiert“ kontrollieren. Manche kommen nur in längeren Zeitabständen an die Reihe. Zwar hat die Lebensmittelüberwachung mit acht Mitarbeitern nun einen mehr als noch im Vorjahr. Doch ist sie noch immer zu dünn besetzt.

Überwachung nach Risikogruppen

Die Kontrolleure haben im vergangenen Jahr rund 1800 Lebensmittelproben genommen und führten 1600 Betriebskontrollen durch. Die Überwachung erfolgt nach Risikogruppen. „Eine Metzgerei mit eigener Schlachtung schauen wir uns natürlich regelmäßig und manchmal auch mehrmals im Jahr an. Kioske etwa, die nur Schokoriegel verkaufen und Getränkepackungen anbieten, stehen weniger im Fokus“, erklärt Wagner.

Lediglich 35 Prozent der rund 5000 Betriebe im Kreis hätten im vergangenen Jahr die sieben Mitarbeiter der Lebensmittelkontrolle unter die Lupe nehmen können, hatte jüngst der Landrat Roland Bernhard bemängelt. Um die Quote auf 50 Prozent zu erhöhen, bedürfe es 1,6 weitere Stellen, schrieb er an den Verbraucherminister des Landes, Alexander Bonde.

Erbrechen nach dem Genuss von Lyoner

Immer wieder flattern Wagner auch Verbraucherbeschwerden auf den Tisch, die er natürlich vorrangig bearbeitet. Am Morgen hat er bei einer Frau Lyoner in einer Plastiktüte abgeholt. Die Wurst hatte die Dame bei einem Metzger gekauft und sich zwei Mal davon einen Wurstsalat zubereitet. „Sie musste sich hinterher zwei Mal erbrechen und hatte Durchfall“, sagt der Küchenmeister, der sich zum Lebensmittelkontrolleur umschulen ließ. Die offenbar verdorbene Ware packte Wagner in eine Kühlbox mit minus 1,6 Grad, bevor er sie an das CVUA schickte. „Damit hinterher niemand behaupten kann, dass die Wurst bei uns schlecht geworden ist.“

Laut Ilka Müller, der Leiterin der Lebensmittelüberwachung für den Kreis, kommt bei den Mitarbeitern im Durchschnitt alle zwei Tage eine solche Beanstandung von Verbrauchern vor. Bei Wagner sind es zwei bis drei pro Woche, sagt er. Weil er einen städtischen Bezirk hat, wo das häufiger passiere, erklärt Müller.

Minus zwölf Grad Celcius sind okay

„Wegen der Beschwerden kommt mein Zeitplan hin und wieder durcheinander“, sagt Wagner. Dann fährt er eben später in die Eisdiele, die geplante Betriebskontrolle in einem Sindelfinger Hotel-und Gaststättenbetrieb muss warten. Vom Inhaber des Eisunternehmens wird Wagner freundlich begrüßt. Die beim letzten Mal verlangte Liste mit den Inhaltsstoffen hat er nun vorliegen und fein säuberlich alles festgehalten. Von der Saccharose über die Lebensmittelfarben bis hin zu den Säuerungs- und Verdickungsmitteln.

Wagner hält seinen Thermometer in das Himbeereis. Es zeigt minus 12,6 Grad Celsius an. „Minus zwölf Grad sind okay“, sagt er zufrieden, „das hier ist doch prima.“ Denn bei weniger als zehn Grad minus schmelze das Eis und verderbe.

In 16 Fällen des Jahres 2013 ermittelt der Staatsanwalt

Bereitwillig füllt der Geschäftsinhaber je zwei Kugeln in vier von Wagner bereitgestellte Plastikschalen, in zwei Becher der Eisdiele kommen noch einmal je zwei Kugeln. Zwei der mitgeführten Plastikbehältnisse sowie ein Gefäß des Eisbetriebs nimmt der Lebensmittelkontrolleur wieder mit, die anderen hat der Inhaber sechs Wochen lang mit dem amtlichen Verschluss der Überwachungsbehörde ordnungsgemäß gekühlt aufzubewahren. „Das dient ihm zu Beweiszwecken, wenn das Eis beanstandet wird. Er kann auch selbst einen Gutachter einschalten“, sagt Wagner.

Im vergangenen Jahr stellte das CVUA für den Kreis Böblingen 672 Verstöße fest. Dazu zählten auch 16 Fälle, mit denen sich nun die Staatsanwaltschaft beschäftigt. „Meistens sind in diesen Fällen in Proben Bakterien gefunden worden. Dann besteht Gesundheitsgefahr“, erläutert Wagner. Seltener finde sich eine eingebackene Maus in einem Brot oder ein Metallgegenstand in einem Produkt. Auch ein immer wieder auftretender Hygienemangel können bei der Staatsanwaltschaft landen, „wenn der Geschäftsinhaber nach mehrmaligen Beanstandungen vorsätzlich keine Abhilfe schafft“, erklärt der 48-Jährige.

Allein ein bis zwei Tage pro Woche benötige er, um dem Grund für eine monierte Probe auf die Spur zu kommen. Dann besucht er das betreffende Unternehmen erneut unangekündigt und recherchiert, ob etwa die Kühlkette unterbrochen war oder etwa der Hersteller für das beanstandete Produkt verantwortlich zu machen ist. Bisweilen schaltet er dazu auch einen Gutachter ein. Im Fall der Sindelfingen Eisdiele droht so etwas wohl nicht. „Allerdings“, sagt Wagner, „man weiß nie.“