Nicht nur die Bürgerinitiative kämpft gegen die schlachtfeldähnliche Dauerbeschallung der US-Army. Jetzt machen auch die Eltern des Kindergartens mobil.

Böblingen -

 

Als Lucienne Graupe vor zehn Jahren ins Böblinger Wohngebiet Rauher Kapf zog, war sie begeistert vom Idyll mitten im Wald. Die nur wenige hundert Meter entfernte Kaserne der US-Army störte sie nicht. „Tagsüber war ich bei der Arbeit, und am Wochenende war es ruhig.“ Das änderte sich schlagartig, als Graupe vor sieben Jahren zum ersten Mal Mutter wurde. „Plötzlich war ich den ganzen Tag zuhause und ständigem Schießlärm ausgeliefert.“ Besonders in Erinnerung ist der jungen Mutter ein Spaziergang im Wald. „Ich war mit dem Kinderwagen, in dem meine wenige Monate alte Tochter Lilli schlief dicht am Armee-Areal unterwegs. Plötzlich ballerte es wie wild direkt neben mir. Ich erschrak fürchterlich, Lilli wachte auf und schrie wie am Spieß“, schildert Lucienne Graupe dieses Erlebnis.

Mittlerweile ist Lilli sieben Jahre alt. „Einmal haben die abends geschossen. Da konnte ich nicht schlafen“, erzählt sie. Nicht nur die Siebenjährige und ihr drei Jahre jüngerer Bruder Leo leiden unter dem ständigen Geballer. „Das hat enorme Auswirkungen auf den Kindergartenbetrieb“, berichtet Lucienne Graupe, die Elternbeiratsvorsitzende auf dem Rauhen Kapf ist. Deshalb hat sie einen Brief an den Oberbürgermeister Wolfgang Lützner geschrieben. „Die Situation ist manchmal ganz unerträglich. An manchen Tagen hält die Lärmbelästigung den ganzen Tag an. Sogar in der Mittagsruhezeit der Kinder wird geschossen. Das stört insbesondere die kleinen Kinder, die noch in der Tageseinrichtung mittags schlafen“, heißt es in dem Schreiben. Weiter schildert Graupe dass bei Waldspaziergängen oft eine Verständigung zwischen Erzieherinnen und Kindern nicht möglich sei, so laut donnerten die Salven. Sie bittet den OB Lützner, „inständig sich des Problems anzunehmen“.

Bürgerinitiative kämpft seit 20 Jahren

Das Problem ist in Böblingen nicht neu. Seit 20 Jahren kämpft eine Bürgerinitiative dafür, dass der Lärm vom nur 250 Meter vom Wohngebiet entfernten Schießstand eingedämmt wird. Unzählige Gesprächsrunden mit Politikern aller Ebenen und mit ranghohen Vertretern der US-Army hat es in den vergangenen Jahren gegeben. Mehrere Gutachten wurden erstellt, die alle belegen, dass der Schießlärm alle geltenden Grenzwerte überschreitet.

Seit drei Jahren gibt es nun ein Konzept für eine Schalldämmung, dem alle Beteiligten, auch die US-Armee, zugestimmt haben. Kassettendecken über den offenen Schießbahnen vier und fünf würden den Lärm dämmen. Kostenpunkt: drei Millionen Euro. Auf die Umsetzung dieses Plans warten die Anwohner bis heute. Denn die US-Army hat kein Geld. Nicht nachvollziehbar ist das für die Betroffenen. „Die US-Army hat in den vergangenen Jahren 200 Millionen Euro investiert: für ein Hotel, einen Supermarkt und die im Bau befindliche Highschool. Und dann hat sie keine drei Millionen Euro für den Schallschutz?“, empört sich Ulrich Durst. Der Sprecher der Bürgerinitiative schickte kürzlich eine detailliertes Lärmprotokoll an den OB: Im März notierte er an 21 Tagen „schlachtfeldtypischen Lärm von 8.30 Uhr bis 17 Uhr, zum Teil ohne Mittagspause“.

Stadträte schalten sich ein

So richtig ernst genommen, fühlten sich die Mitglieder der Bürgerinitiative nicht. „Das sind doch nur Rentner, die nichts zu tun haben“, war zu hören. Lucienne Graupe macht mit ihrem Vorstoß nun deutlich, dass der Schießlärm alle Bewohner des Rauhen Kapf betrifft – ganz besonders die Kindergartenkinder, unter denen auch einige von amerikanischen Soldaten seien. „Viele sind verängstigt“, sagt sie. Dieser Klagen haben sich nun auch einige Stadträte angenommen. In einem Antrag fordern die Freien Wähler und die CDU, dass die Stadt mit der Armee über Schießpläne verhandelt, die beispielsweise Rücksicht auf die Ruhezeiten im Kindergarten nehmen.

Man sei dran am Problem, versichert der Böblinger OB Lützner in seiner Antwort an die Elternbeiratsvorsitzende Graupe. Gespräche auf höchster politischer Ebene seien geplant, teilte er mit. Wieder einmal. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger soll sie einfädeln. Details waren nicht zu erfahren.