Vom kommenden Jahr an verschickt das Böblinger Landratsamt keine Sitzungsunterlagen mehr an die Kreisräte. Diese erhalten ein iPad mit einer App, die den Zugriff auf die Vorlagen ermöglicht. 80 der 84 Mitglieder des Gremiums machen mit.

Böblingen - Gerne rühmt der Landrat Roland Bernhard den Kreis als „innovativen Technologiestandort“. Immerhin sind hier nicht nur namhafte Autofirmen beheimatet, sondern auch die deutsche Zentrale des IT-Unternehmens IBM. Da müssen auch die Kreisräte zeigen, dass sie fortschrittlich sind und der modernen Technik gewachsen. Deshalb beschlossen sie in der Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses am Dienstag, dass der Kreis für die Sitzungen des Kreistags 74 iPads kaufen soll. Künftig sollen sie mit diesen mittels einer speziellen App alle Sitzungsunterlagen einsehen und herunterladen können. Das aufwendige Verschicken der Sitzungsunterlagen in Papierform entfällt dann.

 

80 der insgesamt 84 Mitglieder des Kreisparlaments machen mit. Das bekundeten sie bei einer Umfrage vor der Sommerpause. Einige Tablets gibt es bereits im Gremium, sie wurden von den Fraktionschefs schon einige Zeit erprobt, auch die Dezernten arbeiten längst damit. Nun sollen auch alle anderen Kreisräte ein iPad erhalten. Der Wlan-Zugang in beiden Sitzungssälen wurde für die neue Technik extra verstärkt. „Wir haben für die Dienst-Tablets ein geschlossenes System, so dass niemand sonst Zugriff hat“, erklärte Heiko Meissner, von der Geschäftsstelle des Kreistags. Jedes iPad sei personalisiert, der Zugriff erfolgt über einen Fingerabdruck des Berechtigten.

Kreis investiert 60 000 Euro

Knapp 60 000 Euro investiert der Kreis in die Anschaffung der Tablets sowie passender Schutzhüllen. Diese Summe soll sich in zwei Jahren amortisiert haben. Denn, so die Berechnung, gibt die Verwaltung momentan pro Jahr 37 000 Euro für den Druck und Versand der Sitzungsunterlagen in Papierform aus. 80 Prozent davon, also rund 30 000 Euro, könnte man durch die Umstellung auf Tablets einsparen.

Mit dem Einstieg in den digitalen Sitzungsdienst gehören die Böblinger zu den Pionieren, zumindest in der Region Stuttgart. „Es gibt nur wenige Kreise im Land, die schon komplett oder fast komplett auf digitale Sitzungsunterlagen umgestellt haben“, sagt Jan-Ole Langemack, der Pressesprecher des Landkreistags, in dem sich die 35 baden-württembergischen Landkreise zusammengeschlossen haben. „In den Kreistagen von Rastatt, Konstanz, Karlsruhe, Main-Tauber-Kreis und Schwäbisch Hall hat man auf den digitalen Sitzungsdienst umgestellt. In einigen anderen laufen Pilotphasen.“

„Seit Anfang des Jahres arbeiten wir im Kreistag mit Tablets“, berichtet Ute Bürkert von der Geschäftsstelle des Kreistags in Schwäbisch Hall. „52 der 58 Räte machen mit.“ Aus ihrer Sicht hat sich das System bewährt, „auch wenn es einige Anfangsschwierigkeiten gab, die wir nun verbessern.“ „ Ein Problem sei im ländlich geprägten Landkreis Schwäbisch Hall, „dass es Gemeinden mit einer schlechten Internetverbindung und sogar Funklöchern gibt.“ Deshalb sei nicht von überall immer ein Zugriff aufs System möglich. „Wir empfehlen deshalb unseren Räten, dass sie sich die jeweils aktuellen Unterlagen herunterladen und dann jederzeit darauf zugreifen können.“ Anfangs habe man wegen der Internetprobleme noch doppelt gearbeitet und den Räten die Unterlagen parallel auch als Papierstapel zugeschickt.

Vier Räte wollen lieber Papier

Das jedoch lehnen die Böblinger Räte ab. „Wenn wir umstellen, dann bitte richtig. Dann brauchen wir kein Papier mehr“, forderte Helmut Noë, der Fraktionschef der CDU. Heiderose Berroth, die als Fraktionschefin der FDP den digitalen Dienst bereits erprobt hat, lobte die „Recherchemöglichkeiten, die das System bietet, vor allem, wenn man alte Unterlagen aus früheren Sitzungen sucht.“ Und Roland Mundle, der Sprecher der Grünen, findet nicht nur den Aspekt des Umweltschutzes durch den geringeren Papierverbrauch wichtig. „Es erleichtert auch der Verwaltung die Arbeit.“

Diese muss jedoch zumindest noch eine Weile zweigleisig fahren. Denn immerhin vier Kreisräte lehnen die Tablets ab und müssen weiter mit Sitzungspapieren versorgt werden.