Bis 2030 braucht der Kreis mehr als 14 000 neue Wohnungen. Doch die Flächen sind knapp. In einem Workshop wollen Kommunen, Kreisverwaltung und Experten neue Ideen entwickeln.

Kreis Böblingen - Während im Osten der Republik manche Landstriche veröden und Städte ausbluten, verzeichnet der Südwesten mit seiner starken Wirtschaft ein stetes Wachstum. Um 7000 Einwohner ist allein der Landkreis Böblingen im Jahr 2015 gewachsen – auf 381 000 Einwohner. Und liegt nicht nur an den vielen Flüchtlingen, die gekommen sind. „Wir verzeichnen mehr als 3800 Geburten“, jubelte der Böblinger Landrat Roland Bernhard kürzlich in einer Kreistagssitzung. „Wir sind ein Boom-Landkreis.“

 

Diese Entwicklung, so erfreulich sie ist, führt jedoch auch zu erheblichen Problemen. Eines der dringendsten ist die Frage, wo all die Menschen unterkommen sollen. Der Mangel an Wohnungen, vor allem für Normal- und Geringverdiener, ist eklatant in der Region Stuttgart. Und er werde immer größer werden, wenn nichts geschehe, sagt Thomas Kiwitt, der Technische Direktor des Verbands Region Stuttgart. Bis zum Jahr 2030 müssten in der Region 100 000 neue Wohneinheiten entstehen, im Kreis Böblingen mehr als 14 000. 440 Hektar Bauland werden dafür gebraucht.

Mehr Einwohner verursachen noch mehr Staus

Das sind neue Töne. Bis vor kurzem klagten noch viele Kommunen über zu rigide Vorschriften des Regionalverbands, der den Flächenverbrauch für Neubaugebiete einschränke. Nachverdichtung statt neuer Baugebiete, lautete die Devise. Diese Einschätzung relativiert Kiwitt jedoch. Richtig sei, dass die Infrastruktur nicht auf einen weiteren Zuwachs eingerichtet sei, vor allem nennt er die Verkehrswege, . „Wir leiden schon jetzt unter ständigen Staus.“ Mehr Einwohner würden dies noch verstärken. Deshalb plädiere der Regionalverband dafür neue Wohngebiete entlang der Bahnstrecken zu schaffen.

„Natürlich legen wir den Fokus auf die Kommunen an der Bahnline,“ sagt dazu der Landrat Bernhard. „Aber wir wollen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auch kleinere Kommunen ohne Anschluss an die S-Bahn müssen sich weiter entwickeln dürfen.“ Er hat das Thema Wohnraumschaffung im Kreis zu einem Schwerpunkt gemacht. Dabei sei die Kreisverwaltung aber vor allem Moderator, betont der Landrat. „Für das Thema Wohnungsbau sind die Kommunen zuständig.“

Sindelfingen hat ein Zehn-Punkte-Programm verabschiedet

Gemeinsam mit den 26 Kreiskommunen, den Wohnungsbaugesellschaften, der Architektenkammer, der Kreissparkasse sowie dem Regionalverband hat der Kreis im vergangenen Jahr das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ins Leben gerufen. Einiges hat dieses Bündnis schon auf den Weg gebracht. Die Mietobergrenzen für Sozialhilfeempfänger wurden an die hohen Preise auf dem Böblinger Wohnungsmarkt angepasst. Im Landratsamt wurde eine zusätzliche Stelle für Baurecht geschaffen, damit Bauvorhaben schneller genehmigt werden.

Ende Juni ist ein Workshop geplant, bei dem Vertreter der Kommunen im Kreis mit Experten diskutieren, wie und wo Wohnbauprojekte am besten umgesetzt werden können. Thomas Kiwitt setzt auf neue Bauformen. „Das klassische Einfamilienhaus hat ausgedient. Wir brauchen verdichtete Bebauung.“ Dafür sollen Modelle vorgestellt werden, die auch in eher ländliche Strukturen passen. Auch ein Austausch der Kommunen untereinander über ihre Programme soll es geben. Einige sind schon so weit, etwa die Stadt Sindelfingen, die jetzt ein Zehn-Punkte-Programm gegen die Wohnungsnot verabschiedet hat. 1000 neue Wohneinheiten sind dort in den nächsten fünf Jahren geplant.

Kreis will Wohnraum für Behinderte und Flüchtlinge

Wo gibt es in der dicht besiedelten Region Stuttgart Flächen für den Wohnungsbau? Auch mit dieser Frage müssen sich die Kommunen beschäftigen. Gut 1600 Hektar Flächenreserven hat die Region insgesamt, im Kreis Böblingen sind es 435 Hektar, gebraucht werden 440 Hektar. „Die Flächen gibt es. Jetzt geht es um die Umsetzung“, sagt Kiwitt. Kritischer ist der Blick in der Böblinger Kreisverwaltung. Nicht alle vorgesehenen Flächen in den zum Teil veralteten Plänen ließen sich so leicht zu Bauland umwandeln, heißt es dort.

Einsetzen will sich die Kreisverwaltung vor allem für benachteiligte Gruppen auf dem Wohnungsmarkt. Spezielle Programme entwickelt das Landratsamt für Behinderte und Flüchtlinge.