Um Geld zu sparen, soll die Einrichtung geschlossen werden. Die Metzger finden den Antrag der Sozialdemokraten ziemlich skandalös. Das Museum hat dieses Jahr sein 30-Jahr-Jubiläum gefeiert.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Damit hat Kurt Nagel nicht gerechnet: Ausgerechnet im Jubiläumsjahr steht seine Schöpfung zur Debatte. Die Böblinger SPD-Gemeinderatsfraktion hat den Antrag gestellt, das Fleischermuseum zu schließen und die Immobilie am Marktplatz zu verkaufen. „Ich bin traurig und überrascht“, sagt Kurt Nagel dazu. Auf sein Betreiben ist 1984 das erste und bis heute einzige Museum Deutschlands für das Metzgerhandwerk eröffnet worden. Viel Herzblut habe er in die Einrichtung gesteckt, sagt der 75-Jährige. „Der Besuch und die Akzeptanz dieses Museums ist verschwindend gering“, meint die SPD.

 

Die Sozialdemokraten wollen Ernst machen mit ihrem Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. In vollem Bewusstsein, dass ihnen „ein scharfer Wind entgegen wehen wird“, stellt die Gemeinderatsfraktion ihren Sparvorschlag zur Diskussion. Sie sehe sich in der Verantwortung, den „Kindern und Enkeln eine solide, handlungsfähige Stadt zu hinterlassen“, erklärt ihr Vorsitzender Florian Wahl. Das Ende des Fleischermuseums bringt seiner Ansicht nach einen zweifachen Gewinn. Erstens könnte der jährliche Unterhalt dafür in Höhe von rund 180 000 Euro eingespart werden. Zweitens könnte das Vogtshaus am Marktplatz zu Geld gemacht werden, entweder durch einen Verkauf oder durch „eine wirtschaftlich darstellbare Nutzung“.

Nicht nur ein Streichkonzert

Allerdings soll der Antrag nicht nur wie ein Streichkonzert klingen. Der eingesparte Unterhalt soll nur zu 60 Prozent den Haushalt konsolidieren, 40 Prozent davon möchte die SPD dem städtischen Kulturetat zuschustern. Für einen Teil davon hat die Fraktion auch schon Pläne: Denn die im Fleischermuseum begonnene Tradition der Karikaturen-Ausstellungen soll „unbedingt weitergeführt“ werden. „Diese sind ein Gewinn für das Image unserer Stadt und eine Bereicherung der Kulturszene Böblingens“, teilen die Sozialdemokraten mit. Dies sei jedoch genauso gut an einem anderen Ort möglich, etwa im Rathaus.

Am 2. Dezember kommt der Antrag im Verwaltungssausschuss auf die Tagesordnung. Dann nimmt die Stadtverwaltung dazu Stellung. „Grundsätzlich müssen wir über alles diskutieren“, sagt Hans-Dieter Schühle. Der Chef der CDU-Gemeinderatsfraktion ist der Idee der SPD nicht abgeneigt: Den Unterhalt für das Fachwerkhaus empfindet auch er als zu teuer. Eine andere Unterkunft könnte für das Museum sinnvoll sein, etwa im Kaufzentrum statt am abgelegenen Marktplatz. „Wir müssen es ja nicht in der Versenkung verschwinden lassen“, sagt Hans-Dieter Schühle. Grundsätzlich anderer Meinung ist Frank Hinner: „Das Fleischermuseum ist ein bekanntes Kulturangebot, das wir behalten sollten“, sagt der stellvertretende Fraktionschef der Freien Wähler. „Ich bin dagegen“, lautet seine Meinung zum SPD-Antrag. Er würde eher andere städtische Gebäude verkaufen.

Die besten Besucherzahlen in Böblingen

Rund 15 000 Besucher hat das Museum der Metzger im Jahr – zusammen mit der städtischen Galerie und dem Bauernkriegsmuseum. „Meiner Meinung nach haben wir die besten Besucherzahlen in Böblingen“, sagt Kurt Nagel. Dennoch habe er volles Verständnis, dass die Einrichtung auf den Prüfstand gestellt werde. Alle Museen müssten dafür Sorge tragen, dass ihr Angebot dem Zeitgeist entspreche und wirtschaftlich auf vernünftigen Beinen stehe. Sein Beitrag dazu waren die Comics: Das Fleischermuseum dürfte Kurt Nagel zufolge mittlerweile bundesweit die größte Cartoonisten-Sammlung haben.

Bei seinem jüngsten Auftritt im Fleischermuseum war es brechend voll: Zur 30-Jahr-Feier stopfte Paul Lipp Bratwürste vor Publikum. „Dort müsste es eigentlich immer etwas zu essen geben“, sagt der Ehrenobermeister der Fleischerinnung. Dem Vorwurf, dass die Dauerausstellung nicht anziehend wirkt, kann er nicht widersprechen. Er würde deshalb gerne öfter vorführen, wie sein Handwerk funktioniert. Die kommerzielle Vermarktung sei nicht sehr gut, stimmt auch der amtierende Obermeister Matthias Scherer zu, „da wird etwas in die Gänge kommen müssen“. Trotzdem ist er der Meinung, dass Geschichte und Tradition einen Wert haben und gepflegt gehören – auch das Metzgerhandwerk, dem es an Lobby mangele. „Der Antrag ist skandalös“, findet Matthias Scherer, „das Museum bedeutet uns viel.“