Das Modeunternehmen ist zu einem Sanierungsfall geworden. Aber der geschäftsführende Gesellschafter findet, dass seine Marke noch viel wert ist, und sucht einen neuen Investor. „Wir sind immer am Ball geblieben“, sagt Frank Gouder.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Die Mannequins haben sich bereits warm angezogen: Sie tragen Schals, Strickjacken und Rollkragenpullis aus der Kollektion für den kommenden Herbst. Bei Passport im Böblinger Industriegebiet Hulb weht momentan tatsächlich ein eisiger Wind: „Wir sind in eine finanzielle Schieflage geraten“, sagt Frank Gouder. Der geschäftsführende Gesellschafter des Modelabels hat beim Amtsgericht Stuttgart ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt und genehmigt bekommen. „Wir befinden uns auf der Intensivstation“, erklärt der 51-Jährige, der einst sein Medizinstudium abbrach, um in die Textilbranche zu wechseln: „Aber nicht jeder, der dort liegt, stirbt auch.“

 

Die Kunden halten die Treue

Bei Passport wird längst an den Entwürfen für das nächste Jahr gearbeitet. Von den 800 Kunden haben sich laut Frank Gouder nur drei von der Insolenz abschrecken lassen. Auch die Lieferanten und Produzenten in Italien, in der Türkei, in China, Hongkong und Vietnam bleiben bei der Stange. Wladimir Putin hat die Krise bei dem Böblinger Unternehmen ausgelöst: Mit dem Konflikt in der Ukraine brach für Passport die russische Kundschaft weg. Rund 40 Prozent der Textilien wurden bis dahin exportiert, die Hälfte davon nach Moskau. Hinzu kam, dass in den Jahren 2011 und 2012 die Kollektionen nicht so gut angenommen worden waren wie gewohnt. Beides führte zur aktuellen Verlustsituation. „Das ist nicht schlimm, aber unser Mehrheitsgesellschafter ist nicht bereit, Geld nachzuschießen“, sagt Frank Gouder.

Sein Anteil an der Firma beträgt 35 Prozent, der Rest liegt bei der Frankfurter Beratungsgesellschaft für Unternehmensbeteiligungen Steadfast Capital. Vor 21 Jahren sind die Investoren eingestiegen, als die beiden Firmengründer Passport verkauften. Es seien viele gute Jahre gewesen, in denen man in Böblingen in Ruhe habe arbeiten können, sagt Frank Gouder, der 1989 als Assistent der Geschäftsführung auf die Hulb kam. Die Rendite habe dafür zeitweise auch bei rund zehn Prozent gelegen. „Aber jetzt sind sie satt, sie haben ihr Geld verdient“, meint er, der selbst bereit ist, wieder in die Firma zu investieren. Der Geschäftsführer findet schließlich, dass Passport als Marke noch viel wert ist. „Wir sind immer am Ball geblieben“, sagt er.

Vor fünf Jahren noch den Umsatz verdoppelt

Seit 37 Jahren ist das Unternehmen am Markt, und seine stärkste Wachstumsphase liegt gar nicht so lange zurück. Zwischen den Jahren 2003 und 2009 verdoppelte sich der Umsatz. Zuletzt hatte Passport für das Geschäftsjahr 2012/13 einen Umsatz von 34 Millionen Euro gemeldet. „Wenn man älter wird, wird man bequem“, sagt Frank Gouder allerdings auch. Die Insolvenz will er nun nutzen, um den Gürtel enger zu schnallen – etwa in der Verwaltung, bei der Bürofläche oder den Showrooms, wo deutschland- und europaweit die Mode aus Böblingen vorgeführt wird. Bis 1. Mai werden die rund 50 Mitarbeiter am Firmensitz noch von der Arbeitsagentur bezahlt, gekündigt werden soll keinem. „Das Unternehmen wird weitergehen“, betont der Geschäftsführer, „daran sind wir im höchsten Maß interessiert.“

Ein Investor ist gefragt, der nicht nur Interesse am Gewinn hat, sondern auch an der strategischen Entwicklung. Olymp liefert ein Beispiel dafür: Der Bietigheimer Hemdenhersteller kaufte vor fünf Jahren den Münchner Strickwarenspezialisten März auf – wegen der positiven Synergieeffekte für beide Seiten. „Multi-Channel ist die Herausforderung für die Zukunft“, sagt Frank Gouder, also der Verkauf über mehrere Kanäle. Passport hat im vergangenen September deshalb einen Online-Shop eröffnet als zweites Standbein. Das Geschäft wird nicht leichter: Früher standen Textilien auf Platz eins der Einkaufslisten, mittlerweile sind Kleider hinter Technik, Möbel, Reisen und Lifestyle gerutscht.

Frank Gouder setzt mit Premium-Damenmode zu günstigen Preisen auf eine Nische. „Der Individualismus kehrt zurück“, ist er überzeugt – und dass der Patient Passport überlebt. „Mit Narben zwar, so eine Phase auf der Intensivstation geht an niemandem schadlos vorbei“, sagt der ehemalige Medizinstudent.