Fast eine halbe Million Euro soll in die Sanierung von zwei Straßen fließen. Der plötzliche Geldsegen ergibt sich durch ein bald auslaufendes Förderprogramm. Dass ein Gesamtkonzept für die Altstadt fehlt, wurde bei der Gelegenheit deutlich.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Auf dem Schlossberg sind die Böblinger offenbar ein anderes Tempo gewohnt: Wie Aktionismus wirkte es für Stefan Belz, dass dort plötzlich die Bagger anrollen sollen. Die Stadtverwaltung hat dem Gemeinderat überraschend vorgeschlagen, die Turmstraße und die Straße Schlossberg neu zu gestalten – mit Pflastersteinen, Bäumen und Bänken. Rund 450 000 Euro würde das Vorhaben kosten. „Ich verstehe die Notwendigkeit, aber ein Gesamtkonzept fehlt“, erklärte der Stadtrat der Grünen seine Zurückhaltung. Er schloss sich der Meinung von Wolfgang Hensel an: „Das Projekt ist toll, aber die Geschwindigkeit macht mir Sorgen“, hatte der SPD-Kollege zuvor gesagt. Aber am Ende stimmten die Mitglieder des Ausschusses für Technik, Umwelt und Straßenverkehr dem Plan einstimmig zu.

 

Vor zehn Jahren mit einem Großprojekt gescheitert

„Es in kleine Happen aufzuteilen, ist der richtige Weg“, befand Friedrich Ruoff. Jeder wünsche sich zwar einen großen Wurf, sagte der CDU-Stadtrat, doch dies sei vor zehn Jahren schon einmal gescheitert. Damals sollte auf dem Schlossberg für fast 20 Millionen Euro ein Bürgerhaus samt Galerie und Kinderkunstschule gebaut werden. Auf Druck einer Bürgerinitiative, die vor allem die hohen Kosten monierte und einen Bürgerentscheid verlangte, wurde der Plan abgesetzt. Stattdessen beschloss der Gemeinderat ein Freiraum-Konzept für 1,5 Millionen Euro. Umgesetzt wurde davon etwa ein Drittel: der 2009 eingeweihte Schlossbergpark. Der Bombenangriff vom 7. und 8. Oktober 1943 hatte diese Brache in Böblingen geschlagen. Dabei wurden das Schloss und fast 70 Prozent der Altstadt zerstört.

Der Leiter des Tiefbau- und Grünflächenamts klang ein wenig schuldbewusst in der Sitzung am Mittwoch: „Plötzlich kommen wir mit dieser Vorlage, nachdem auf dem Schlossberg Ruhe eingekehrt ist“, sagte Frank Bader. Die Beläge der Turmstraße und des Schlossbergs müssten jedoch dringend erneuert werden, erklärte er. Sie seien nur noch Flickwerk. Hinzu kommt, dass in diesem Jahr der Status Sanierungsgebiet für Böblingen-Mitte abläuft und somit noch schnell Fördermittel abgerufen werden sollten – immerhin 250 000 Euro. „Es ist keine ganzheitliche Maßnahme“, betonte der Amtsleiter. Die Brachfläche bleibe unangetastet, weil es dafür keine Konzepte gebe.

Geplant ist, die Fahrbahn der beiden Straßen mit Asphalt zu erneuern und an den Seiten Pflastersteine zu verlegen. Die Steine vom früheren Busbahnhof werden dafür verwendet. Am Schlossberg sollen fünf Bäume den Blick vom Postplatz zur Stadtkirche einrahmen. Vor dem Alten Amtsgericht und dem Dekanat soll eine Sitzgelegenheit geschaffen werden. Auch in der Turmstraße sollen „Akzente durch Bäume“ gesetzt werden. Bei der Planung orientierte sich das Amt an historischen Fotos von beiden Straßen. „Auf den Flächen, auf denen wir können, sorgen wir für eine Aufwertung“, sagte die Baubürgermeisterin Christine Kraayvanger, denn so viel Grund und Boden besitze die Stadt auf dem Schlossberg gar nicht.

Bei den Stadträten sprudeln gleich die Ideen

Bei den Stadträten sprudelten allerdings gleich die Ideen. Hans-Dieter Schühle warb für ein Café. „Damit die Böblinger die Möglichkeit haben, die Aussicht zu genießen“, sagte der CDU-Fraktionschef. Helmut Kurtz von der FDP forderte „eine markante Beleuchtung, die neugierig auf den Schlossberg macht“. Und Vanda Zeschick (SPD) schlug einen Rosen- sowie einen Apotheker-Garten mit Heilkräutern vor. Die Bedenken von den Ratskollegen über zu schnelles Vorgehen konnte der Freie Wähler Ralf Sklarski jedenfalls nicht verstehen: „Seit 20 Jahren tut sich um den Schlossberg nichts – und nun wird gefordert, das Gas rauszunehmen?“, fragte er verständnislos. Seiner Ansicht nach müsse vielmehr zur Attacke auf den Schlossberg geblasen werden.