Zwölf Jahre nach ihrem Hit „Good Bye Lenin!“ haben der Schauspieler Daniel Brühl und der Regisseur Wolfgang Becker wieder einen Film zusammen gemacht. Brühl spielt in „Ich und Kaminski“ einen Laffen von Kunstkritiker auf der Suche nach dem Karrieresprung.

Stuttgart - Wer sich nicht nur für Motocross, sondern auch mal für Kunst interessiert, den könnte der Anfang von „Ich und Kaminski“ verwirren. Der stellt im Dokumentarstil einen Typ vor, der irgendwo zwischen Picasso und Andy Warhol einzureihen wäre, Manuel Kaminski. Seine Karriere startete durch, als sich herumsprach, er sei blind. Diese Information öffnete Galeristen, Kritikern und Sammlern die Augen. Prompt zog sich Kaminski als Person aus dem Kunstbetrieb zurück. Sollten wir da was verpasst haben?

 

Keine Allgemeinbildungszweifel, bitte! Kaminski ist eine erfundene, wenn auch keineswegs undenkbare Figur. Der Autor Daniel Kehlmann hat sie 2003 in seinem Roman „Ich und Kaminski“ in die Kunstwelt geschwindelt. Der Regisseur Wolfgang Becker beginnt seine Verfilmung nun als Doku-Flunkerei, um die Nähe des vom Dänen Jesper Christensen überzeugend fies gespielten Kaminski zu realen Kunstkarrierestrategen zu betonen.

Pikantes vom Alten

In der Vorstellbarkeit verankert werden soll so aber auch das Ich des Titels, der Erzähler der Geschichte, der unangenehme Laffe und Vorteilssucher Sebastian Zöllner, ein Kunstjournalist frei von Festanstellung, Kunstliebe und Respekt vor dem Journalismus. Der von Daniel Brühl Gespielte will sich endlich einen Namen machen, und dazu hat er sich Kaminski ausgesucht. Dessen Biografie müsste punkten, vorausgesetzt, man kann dem Alten Pikantes entlocken.

Schon bei „Good Bye Lenin!“ haben Becker und Brühl zusammengearbeitet. Der Schauspieler ist seitdem dauerbeschäftigt. Von Becker aber, der dem deutschen Kino einen der seltenen intelligenten Publikumshits geliefert hat, gab es in den zwölf Jahren seit „Good Bye Lenin!“ zwei Kurzfilme und einen Dokumentarfilm zu sehen. Das verrät einiges über die Strukturen des deutschen Film- und Fördergeschäfts.

Lug, Trug und Blindenbrille

Wie „Good Bye Lenin!“, in dem einer bettlägerigen Kommunistin die Weiterexistenz der DDR vorgeschwindelt wird, ist auch „Ich und Kaminski“ ein Film über Lug und Trug. Zöllner schleicht sich ins Vertrauen der Familie Kaminski, und was uns der unzuverlässige Kerl aus dem Off erzählt, passt nicht zu dem, was die Kamera zeigt: Beckers schönster Kniff. Beim tyrannischen Kaminski aber ist nicht klar, wie weit er Zöllner durchschaut und manipuliert – und ob er überhaupt blind ist.

Wer sich ins Reich der Kunst und Künstler begibt, erzählt Becker vergnüglich, hat bald nur noch unzuverlässigen Grund unter den Füßen. Das kleine Problem dabei: Brühl kehrt den Unsympathen so heraus, dass aus Zöllner ein Hampelmann und aus dem Film selbst eher eine Polemik als eine sich passgenau an die Wirklichkeit fügende Satire wird. Aber zu polemisieren ist allemal besser, als auf all die realen Zöllner-Typen hereinzufallen.

Ich und Kaminski. Deutschland, Belgien 2015. Regie: Wolfgang Becker. Mit Daniel Brühl, Jesper Christensen, Amira Casar. 123 Minute. Ab 6 Jahren.