Die Risse an den Häusern in Böblingen werden laut Wasserwirtschaftsamt monatlich um drei bis fünf Millimeter größer. In manchen Gebäuden sind sie inzwischen so breit, dass eine flache Hand hindurchpasst. Mehr als hundert Hausbesitzer haben bisher Schäden gemeldet, mehr als 20 selbst Gutachten eingeholt. Das Ergebnis: ein „hochgradiger Verdacht“, dass bei Bohrungen in die Gipskeuperschicht, die unter dem Böblinger Stadtgebiet liegt, Anhydrit getroffen wurde.

 

Betroffen sind vor allem zwei Wohngebiete im Böblinger Nordosten und im Osten, wo in den Jahren 2006 bis 2008 insgesamt 19 Geothermiebohrungen bis in eine Tiefe von 130 Metern vorgenommen wurden. Sie hatten beim Wasserwirtschaftsamt nur gemeldet werden müssen, eine Genehmigungspflicht gab es damals noch nicht. Der Leiter des Wasserwirtschaftsamts, Jochen Weinbrecht, erklärte, für die Bohrungen sei dennoch jeweils eine Erlaubnis erteilt worden. Jedes Mal sei zudem ein Geologe zur Überwachung hinzugezogen worden.

In Böblingen gilt die Ursache nicht als endgültig geklärt, solange die Bohrlöcher nicht untersucht sind. Das Wasserwirtschaftsamt will auf Drängen der Hauseigentümer Ende November damit beginnen, schadhafte Stellen mit Zement zu stopfen. Voraussetzung ist, dass die Geothermienutzer die Kontrolleure auf ihre Grundstücke lassen. Notfalls wolle man sich das durch eine Duldungsverfügung erstreiten, doch würde sich dadurch das Vorhaben erheblich verzögern, sagt Weinbrecht. Um Schäden zu reparieren, erhalten die betroffenen Hausbesitzer ein zinsloses Darlehen von jeweils 5000 Euro. Die Kreissparkasse hat einen Topf mit 150 000 Euro eingerichtet, wenn nötig, übernimmt die Stadt Böblingen eine Ausfallbürgschaft. Einem Hauseigentümer hilft das nichts: Antonio La Marras Heim muss im Keller statisch gesichert werden. Er wird ausziehen, weil er Angst hat, dass ihm das Dach über dem Kopf zusammenstürzt.

Laut Wasserwirtschaftsamt hat sich der Boden in den von Schäden betroffenen Wohngebieten seit 2002 um bis zu 35 Zentimeter gehoben. Das habe eine Messung aus der Luft mit einem Laser-Scan-Flieger des Landesamts für Geologie ergeben. In Böblingen sei insgesamt 70-mal nach Geothermie gebohrt worden. Im Kreis Böblingen wird an 800 Standorten Erdwärme genutzt.