Weil im Baufeld für Stuttgart 21 eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet wird, rückt an diesem Sonntag der Kampfmittelbeseitigungsdienst an.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Eine hungrige Touristenkarawane wird am Sonntag ohne Frühstück durch die Stadt spazieren. Es werden die Ausschläfer unter den Gästen des Hotels am Schlossgarten sein, auf dem Weg zu Kaffee und Frühstücksei. Normalerweise können sich Gäste in dem Haus noch einmal umdrehen und eine Runde weiterschlafen, denn das Frühstück wird bis 11 Uhr serviert. Wegen eines Einsatzes des Kampfmittelbeseitigungsdienstes am Sonntag im Schlossgarten muss das Hotel um 9 Uhr evakuiert werden, für die Gäste ist ein Frühstück in einem Lokal reserviert.

 

Im Park wird in der Nähe des Ausgangs aus der Klettpassage auf dem Baufeld für den Tiefbahnhof ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet. Der beim Regierungspräsidium angesiedelte Kampfmittelbeseitigungsdienst wird das verdächtige Objekt freilegen und – so es sich bei dem georteten Gegenstand tatsächlich um eine Bombe handelt – entschärfen.

Viele Anzeichen sprechen für einen Blindgänger

„Mit was wir es zu tun haben, sehen wir erst, wenn wir das Teil freilegen“, sagt Peer Müller, der Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass im Baufeld ein Blindgänger liegt. Durch Luftbildanalysen wissen die Experten, dass im Schlossgarten viele Bomben niedergegangen waren, die vor allem den Hauptbahnhof und die Schienen treffen sollten. Hinzu kommt die Position des unbekannten Objekts, das etwa einen Meter unter der Erdoberfläche sondiert wurde. „Die verdächtige Tiefe sind drei bis vier Meter“, erklärt Müller. Da im Park 1,80 Meter Erdreich zum Bau der Klettpassage abgetragen wurde, komme das bei der nun zu untersuchenden Stelle exakt hin.


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Früh am Morgen werden die Sprengstofffachleute das Objekt freilegen. Von 9 Uhr an wird dann ein Umkreis von 325 Metern evakuiert, wenn sich die Entschärfer im Falle eines Bombenfundes ans Werk machen. In diesem Radius liegen der Bahnhof, die Hotels am Schlossgarten, Steigenberger Graf Zeppelin und das Intercityhotel sowie mehrere Wohn-und Geschäftshäuser. Betroffen ist auch die Bundespolizei, die einerseits für die Sperrung des Bahnhofs zuständig ist, andererseits ihre Einsatzzentrale von der Königstraße in die Bad Cannstatter Inspektion der Bundespolizei verlagern muss.

Bahnbetrieb eingeschränkt

Der Bahnbetrieb ist für die Zeit der Sperrung eingeschränkt. Am Hauptbahnhof verkehren weder Fernzüge noch S- oder Stadtbahnen. „Wer eine Fahrkarte hat, darf noch in den Bahnhof rein, bis dann vollständig geräumt werden muss“, erläutert ein Sprecher der Bahn. Vermutlich zwischen 9 und 11 Uhr darf im Bahnhof niemand mehr sein. 20 Bahnmitarbeiter im Fahrkartenverkauf und am Servicepoint müssen ihren Arbeitsplatz verlassen. „Wir werden sukzessive die Eingänge schließen, die Bewachung übernimmt unser Sicherheitspersonal“, so der Sprecher.

300 Beamte im Einsatz

Die Absperrung der Straßenzüge übernimmt die Polizei. Es werden etwa 300 Beamte eingesetzt sein. „Wir werden kontrollieren, ob alle Anwohner ihre Wohnungen verlassen haben“, sagt der Polizeisprecher Jörg Kurowski. In dem zu evakuierenden Bereich leben etwa 80 Personen. Das Amt für öffentliche Ordnung hat in den zurückliegenden Tagen mit allen Kontakt aufgenommen – auch, um herauszufinden, ob jemand Hilfe benötigt, um sein Haus verlassen zu können. „Drei Gehbehinderte haben sich gemeldet“, berichtet der Pressesprecher Sven Matis. Helfer des Roten Kreuzes werden zu ihnen geschickt. Die Stadt wird eine Anlaufstelle für die Bürger einrichten, die das Haus verlassen müssen. „Wir rechnen aber kaum damit, dass jemand das in Anspruch nimmt“, sagt Sven Matis. Da bisher kaum jemand danach gefragt habe, vermute er, dass viele einfach einen Ausflug planen. Das bietet auch das Hotel am Schlossgarten an: Die Gäste können in die Staatsgalerie ausweichen, die nicht mehr im Gefahrenbereich liegt, und an einer Führung teilnehmen. Die Staatsgalerie ist geöffnet, allerdings ist sie von 9 bis 11 Uhr nicht von der Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie aus zu erreichen.

Sperrungen bis zur Mittagszeit

Die Bahnen fahren in der „heißen Phase“ nicht, wenn die Entschärfer sich im Falle eines Bombenfunds ans Werk machen. Der Chef der Kampfmittelbeseitiger hofft, wenn, dann auf einen Blindgänger mit mechanischem Zünder zu stoßen. „Heikler wird es bei einer chemisch gezündeten Fliegerbombe“, sagt Peer Müller. Bei diesen sei das Ausbauen des Zündmechanismus gefährlicher. Zum einen, da man nicht wisse, was die Chemikalie seit Kriegsende im Inneren der Bombe angerichtet habe. Zum anderen, weil diese Typen über eine Ausbausperre verfügen. Um diese zu überwinden hilft nur, den Zündsatz mit einem Roboter herauszureißen. „Da sind wir dann auch in sicherem Abstand zur Bombe. Aber um die Bombe zu identifizieren und für die Vorarbeiten müssen wir daran arbeiten.“ Wenn alles nach Plan läuft, soll der gesperrte Bereich zur Mittagszeit wieder frei sein.