Seine Kühe hat Hermann Hiller längst aufgegeben: Seit zehn Jahren setzt der Landwirt auf das königliche Gemüse – und erweitert ständig die Produktion. In der Region Stuttgart hat sich die Anbaufläche für diese Sonderkultur fast vervierfacht.

Bondorf - Am Morgen auf dem Stuttgarter Großmarkt ist Magda Hiller ihre Lage wieder einmal bewusst geworden: Auf dem Hof hatte das Thermometer sechs Grad Celsius gemessen, in der Stadt das Doppelte. Bondorf berührt eben den Schwarzwald. Auf einer Höhe von 460 Metern haben Magda und Hermann Hiller vor zehn Jahren einen verwegenen Versuch gewagt: Sie pflügten einen Rübenacker für Spargel um – als erste Landwirte im Kreis Böblingen. „Damals gab es fast nur Kritiker und Zweifler“, erzählt die 46-Jährige. Diese Saison hat ihr Mann die Anbaufläche wieder erweitert, im nächsten Jahr soll die Sonderkultur auf zehn Hektar wachsen. „Die Kundschaft ist begeistert“, sagt Magda Hiller, „dann muss man liefern können.“

 

Von Milch hatte sich die Familie zuvor ernährt. Aber als Hermann Hiller Strafe zahlen musste, weil er eine zu große Menge davon erzeugt hatte, ging ihm der Appetit auf das Geschäft verloren. „Wir standen an einem Wendepunkt“, sagt seine Frau. Ein Kollege aus Korntal-Münchingen im Kreis Ludwigsburg brachte schließlich die Idee mit dem Spargel auf. „Mach das, das läuft“, sagte er. Und Hermann Hiller überlegte nicht lange, sondern brachte sich das nötige Wissen rasch selbst bei. Etwa 50 000 Euro kostete diese Art der Feldforschung, ob Bondorfer Spargel sprießt. „Dabei wussten wir nicht einmal, ob es trägt“, sagt Magda Hiller.

Fruchtbar, aber schwer

Die Äcker am südlichsten Rand des Landkreises sind zwar fruchtbar, aber schwer. Aus Lößlehm besteht der Untergrund. Ein badisches Unternehmen musste angeheuert werden, um den Boden bis in einen Meter Tiefe aufzulockern. Ein Kühlraum musste gebaut und Tausende von Pflanzen mussten gekauft werden. Mit den Sorten musste ihr Mann noch etwas experimentieren, manche sind zu dünnstängelig geblieben. Aber richtige Schwierigkeiten habe es nie gegeben, sagt die Bäuerin.

Im Frühjahr werden die Dämme hochgefräst und sofort mit Folie abgedeckt. „Wenn es reinregnet, dann ist es geschwätzt“, sagt Magda Hiller. Dann wird es für den weißen Spargel, der am liebsten in feinem Sand wächst, zu schlammig. Generell würde ohne die schwarze Folie kaum etwas sprießen. Drei Tonnen pro Hektar wirft der einstige Rübenacker ab – etwa die Hälfte des Ertrags, der in klassischen Anbaugebieten erzielt wird.

Immer mehr machen sich die Mühe

In der Region Stuttgart machen sich immer mehr Landwirte diese Mühe: Im Jahr 2000 betrug die Spargel-Anbaufläche noch 47 Hektar, acht Jahre später waren es 161 Hektar. Laut Statistischem Landesamt waren es im Jahr 2012 schon 210 Hektar. In Fellbach (Rems-Murr-Kreis) sowie in den Kreisen Ludwigsburg und Esslingen liegen die meisten Felder, doch auch im Kreis Böblingen wächst das Angebot. Mit Affstätter Spargel beispielsweise sind Christin und Gebhard Binder nun im dritten Jahr auf dem Markt. „Wir haben schon lange Erdbeeren, und die Kunden haben immer nach Spargel gefragt“, sagt die 32-Jährige. Einen Hektar legten die Nebenerwerbslandwirte bei Herrenberg an.

„Ja wie? Affstätter Spargel?“, würden manche Leute erstaunt fragen. Christin Binder erklärt ihnen dann gerne, dass Sandböden vor allem für die Verarbeitung praktisch sind, weil sich der Lehm schwerer abwaschen lässt. Im Geschmack hält sie ihre Ware dagegen für intensiver als die badische Konkurrenz, und der Lehmboden versorge die Stangen darüber hinaus mit mehr Nährstoffen.

Die Hillers machen Haute Cuisine

Die Hillers haben es mit ihrem Gemüse in die Haute Cuisine geschafft. Der mit einem Michelin-Stern dekorierte Franz Feckl hat in seinem Ehninger Landhaus Bondorfer Spargel auf dem Menü. Die Hälfte ihres Umsatzes machen die Landwirte heute mit ihrem verwegenen Versuch. Sie schätzen daran die Direktvermarktung – im Gegensatz zur Abhängigkeit bei der Milchviehwirtschaft. „Die Qualität muss aber stimmen, sonst würden die Leute den Spargel nicht kaufen“, sagt Magda Hiller. Der Preis dafür ist, dass sich auf dem Hof zehn Wochen lang bis Mitte Juni alles um den Spargel dreht. Es lohnt sich, findet sie: „Die Bondorfer sind stolz darauf.“

Feldversuche in der Region

Sprössling
Klaus Bauerle hat in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) für den Spargel eine Bresche geschlagen. Bereits in den 1980er Jahren begann der Obst- und Gemüsebauer mit dem Anbau von grünem Spargel, 1991 erntete er als Erster im Stuttgarter Speckgürtel die bleiche Version des Gemüses. „Durch den Lehmboden hat der weiße Spargel einen kräftigeren Geschmack als der Schwetzinger, sozusagen ein Bodagfährtle“, sagte er damals. Auf einem Hektar zwischen Steinhaldenfeld und Schmidener Feld legte er los. Sein Produkt trifft offenbar den Geschmack der Leute: Heute baut Bauerle auf 45 Hektar das königliche Gemüse an.

Ableger
In Korntal-Münchingen (Kreis Ludwigsburg) fuhr Wolfgang Hengel im Jahr 1999 seine erste Ernte ein. Der Agraringenieur war zuvor jahrelang als Berater im Spargelanbau tätig. Dann wollte er selbst ausprobieren, ob der Spargel auch auf Löß statt nur auf Sand wächst. Mittlerweile hat er sein Gemüse als Gäu-Spargel zur Marke gemacht. Die Würths in Ludwigsburg-Pflugfelden, die als „Landwürth“ firmieren, sowie Frank Scheuler in Löchgau pflügten ebenfalls ihre Felder für den Bleichspargel um. Im Landkreis Esslingen wagten die Henzlers 1998 als Erste einen Versuch: Auf drei Hektar brachten sie in Nürtingen-Raidwangen 45 000 Spargelpflanzen aus. „Die Kunden sind sehr zufrieden, wir auch“, sagte Guido Henzler vier Jahre später.

Wurzeln Eigentlich haben die Württemberger in Sachen Spargel den Badener sogar etwas voraus: Es ist urkundlich belegt, dass im Jahr 1565 in den fürstlichen Lustgärten in Stuttgart der erste Spargel in deutschem Erdreich kultiviert wurde. Ansonsten kann Pleidelsheim (Kreis Ludwigsburg) auf eine lange Tradition pochen: In der Kommune am Neckar sprießt seit 1929 der weiße Spargel. Der Bürgermeister, eigentlich als Vorsitzender der Tabakanbauer zu Besuch bei Kollegen in der Pfalz, brachte von seiner Dienstreise 200 Pflanzen mit. Zunächst wurde ein Versuchsfeld angelegt. Doch anfänglich hatte kaum jemand Geld für das königliche Gemüse. Erst mit dem Wirtschaftswunder wurde der Anbau ausgedehnt. Heute sind noch etwa zehn Hektar mit Spargel bestückt.