Für vier Tage hat sich die Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Plieningen in die Spielstadt Tombolombo verwandelt. Die 90 Kinder haben dort alles Mögliche gelernt: Zum Beispiel wie sich eine Bedienung im Café fühlt und wie das mit den Steuern funktioniert.

Plieningen - Vorsichtig balanciert er das Tablett durch die Menge. Mit Liebe zum Detail stehen darauf eine Tasse mit dampfendem Cappuccino und daneben ein Porzellandöschen mit Zucker. Der elfjährige Wilhelm* wirkt in seinem weiß-blau-gestreiften Shirt, der rot-weißen Schürze und dem schwarzen Hüftgürtel wie eine echte Bedienung. „Ich wollte schon immer mal im Café arbeiten“, sagt er stolz. „Jetzt muss ich aber weiter bedienen“, ruft er und beginnt gewissenhaft seine neu gewonnenen Scheine zu zählen – die sogenannten Tombos. Denn gute Arbeit zahlt sich aus in der Spielstadt Tombolombo.

 

Die Stadt existiert seit dem vergangenen Dienstag auf dem Gelände der Dietrich-Bonhoeffer-Schule – für vier Tage. „Die Schüler lernen so spielerisch, einen Sinn in ihrer Arbeit zu erkennen“, erklärt die Schulleiterin Maria Waltner das Konzept. Sie ist begeistert von dem spielerischen Wirtschaftssystem und veranstaltet dieses Projekt deshalb schon zum zwölften Mal.

An der Plieninger Schule werden verhaltensauffällige Kinder unterrichtet. Wenn sie nicht gerade Tombolombo heißt. Die insgesamt 90 Mädchen und Jungen nehmen das Leben in der Spielstadt sehr ernst. Statt sich wie oft morgens zu kabbeln, fragen sie sich gegenseitig, wo sie heute arbeiten werden. „Die Schüler spielen gut mit und fügen sich ohne weitere Ermahnung in das System“, erzählt Waltner.

Betrügereien und Glücksspiel gibt es auch

Um 8.45 Uhr beginnt für die Bewohner der Tag, Feierabend ist um 11.45 Uhr. Arbeit gibt es auf dem Arbeitsamt, denn jeder ist verpflichtet, mindestens anderthalb Stunden am Tag zu arbeiten. Auswahl gibt es genug. Ob bei der Bank oder im Spielzeugladen – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Aber wie im echten Leben gibt es Betrügereien, Glücksspiel und eher träge Bewohner. „Wir haben jetzt eine Stunde gearbeitet, das reicht“, sagen die fünf Jungs und wenden sich dem Roulette zu. Sie sind direkt nach der Arbeit im Casino „Zockerglück“ gelandet und tauschen nun ihre hart verdienten Tombos in Spielchips um.

Wer keine Lust mehr auf Arbeit hat oder eine Pause braucht, kehrt im Stadtcafé ein. Kleine Blumensträuße zieren die Tische, sie stammen aus dem städtischen Blumenhaus „Frühling“, in dem Nachwuchsfloristen Blumen binden.

Im Stadtcafé kann man sich zwischen Blumensträußen und Kuchen bei seinen Mitschülern über seinen Job beschweren. Wo denn das Problem liege? Einfach kündigen und sich einen neuen Job besorgen, das ist der Rat der anderen an die unglückliche Jolina. Sie hat einfach keine Lust mehr, kreativ zu sein, und hat wütend ihren Job in der Modellierwerkstadt gekündigt. „Das hat keinen Spass gemacht. Ich will jetzt etwas essen“, brüllt sie aufgebracht. Dass sie dafür Tombos braucht, dämmert ihr nun. „Kann mir jemand Geld leihen?“, fragt sie kleinlaut in die Runde.

Steuern werden direkt abgezogen

In der Stadt gelten klare Regeln. Das Ordnungsamt und seine Stadthelfer schlichten Streit und halten die Stadt sauber. Wer gearbeitet hat, erhält einen Laufzettel, auf dem die Arbeitszeit und eine Bewertung des Arbeitnehmers vermerkt werden. Damit müssen die Kinder zur Agentur für Arbeit, um sich abzumelden. Die „Tombo direkt Bank“ zahlt den Lohn bar aus, Steuern werden direkt abgezogen.

Von Speisen und Getränken bis hin zu Tonarbeiten – alles, was in der Spielstadt produziert wird, wird am letzten Tag beim Stadtfest an die Schüler und die eingeladenen Eltern verkauft. Dass soll die Schüler zum Sparen animieren.

Dem elfjährigen Wilhelm* hingegen geht es um viel mehr als nur um Bares: „Ich arbeite nicht wegen des Geldes“, sagt er. „Im Café kommt man in Kontakt mit anderen Leuten, erfährt, was sie mögen und was nicht.“ Er blickt dabei ernst drein und rückt seine Schürze zurecht. Geschäftig erledigt der Junge einen Auftrag nach dem anderen, denn guter Service bedeutet auch zufriedene Kunden. Das hat er gelernt.

* Name von der Redaktion geändert