In Stuttgart hat der Tübinger OB Boris Palmer über Wohnbauten für Flüchtlinge debattiert. Viele Vorschriften halten ihn davon ab, in einem stark angespannten Wohnungsmarkt auch noch zweitausend Flüchtlinge unterzubringen.

Tübingen/Stuttgart - Wir schaffen das nicht“: Boris Palmer wird diesen Satz das eine oder andere Mal bereut haben. Aber er möchte ihn auch nicht ganz zurücknehmen. Heute würde er sagen: Wir schaffen das so nicht. „So“ meint zum einen die vielen Vorschriften, die eine Stadt wie Tübingen davon abhalten, sinnvolle Ideen umzusetzen, um in einem stark angespannten Wohnungsmarkt auch noch zweitausend Flüchtlinge unterzubringen. Und die Behörden und Fachverbände, die keinen Millimeter von ihren Vorschriften abzurücken bereit sind.

 

Zum anderen meint der Tübinger Oberbürgermeister, dass die Stadt von ihrem Haushalt nicht ohne weiteres 25 Millionen abzwacken kann, während der Bund seine Ausgaben für Sozial- und Flüchtlingswohnen um gerade einmal fünfhundert Millionen erhöht. Wie aufgeputscht zog der OB bei einer Diskussion im BDA-Wechselraum vom Leder, pries Tübingen als Stadt mit der höchsten Intelligenz, die in kürzester Zeit in zehn Bebauungsplänen vierzig Standorte ausgewiesen habe, um mittelfristig zweitausend Personen unterzubringen. Und schalt zugleich den Wahnwitz der Brand- und Arbeitsschutzbestimmungen, die verhindern, dass die motivierten künftigen Bewohner die bereitstehenden Pinsel und Farbeimer in die Hand nehmen, um ihre Wohnungen selber anzustreichen.

Was den Bund Deutscher Architekten und die Moderatorin Friederike Meyer interessierte, die ein Sonderheft der Zeitschrift Bauwelt zum Thema herausgegeben hat, war natürlich vor allem, welchen Beitrag Architekten zum Flüchtlingswohnen leisten könnten. Palmer attestierte der Zunft generell großes Interesse am Thema. Zwei Architekten waren da, um von ihren Erfahrungen zu berichten.

Eigentlich hat sich seit 1929 nicht viel geändert, als der Architekt Bodo Rasch angesichts der Weltwirtschaftskrise eine Holz-Musterbausiedung am Kochenhof anregte, die dann 1933 in veränderter Form gebaut wurde: Florian Danner, der für den erkrankten Rudolf Finsterwalder eingesprungen war, pries ebenfalls die Vorzüge des Holzbaus. Metall-Container, derzeit die Standard-Systemlösung, sind klimatisch ungünstig: Im Sommer stickig, verbrauchen sie im Winter viel Heizenergie und nach dem Abbau entsteht ein „Haufen Sondermüll“. Während die Lieferzeiten bei Blech derzeit neun Monate betrügen, könne das Unternehmen, mit dem er zusammenarbeite, Holzmodule binnen drei Monaten liefern.

Peter Schlaier hat sich an der Universität Karlsruhe anhand zweier Hamburger Projekte mit dem Thema beschäftigt. Nun plant er in Esslingen am Rand des Schurwalds mit einfachsten Mitteln Wohnungen in Blockhausbauweise für achtzig Personen: individuelle Kleinstwohnungen mit eigenen Küchen und Sanitärräumen, dazwischen und unter Vordächern aber auch Raum zur Begegnung.

Der volle Saal, eine gewissen Unruhe im Publikum und der Umstand, dass nach zwei Stunden viele wichtige Fragen kaum angetippt waren, zeigen, wie viel Diskussionsbedarf besteht. Boris Palmer warf zum Schluss übellaunig in die Runde, es sei eine der Hauptaufgaben der Bürgermeister, die Gesetze notfalls durch eine freie Auslegung praktikabel zu machen.