Boris Palmer gewinnt nach einem turbulenten Wahlkampf mit riesigem Vorsprung gegen seine Herausforderin Beatrice Soltys. Nach dem vorläufigen Wahlergebnis setzte sich der Grünen-Politiker am Sonntag klar mit 61,7 Prozent der Stimmen durch.

TübingenGanz konservativ feierte Tübingen die Wiederwahl des grünen Oberbürgermeisters Boris Palmer. Zu Ehren des Wiedergewählten spielten Mitglieder verschiedener Musikkapellen der Teilorte manchen Marsch. Das Stadtoberhaupt in schwarzem Anzug und grünem Hemd zeigte sich ehrlich begeistert und verpflichtete die Musiker sogleich für einen zweiten Auftritt an diesem Abend. „Der Ministerpräsident kommt auf den Marktplatz und auch der hört gerne Musik“, rief Palmer der Kapelle zu. In der Mensa Uhlandstraße, wo die Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden, lud Palmer wenig später auch einige hundert Gratulanten auf den Marktplatz ein. „Ich werde nicht drumherumkommen, einen auszugeben“, gab sich der Schwabe, der sonst so sehr auf eine sparsame Führung der Stadtkasse achtet, für einmal spendierfreudig.

 

Bis 18 Uhr hatten die Tübinger Wahllokale geöffnet, um 18.11 Uhr gab der Wahlbezirk Bebenhausen den Trend vor. Der kleine Teilort im Schönbuch setzte Palmer klar an die Spitze. Die behielt er über die Auszählung der 66 Stimmbezirke hinweg ganz souverän bis um 19.03 Uhr das Ergebnis feststand. 61,7 Prozent für Palmer, 33,2 Prozent für Beatrice Soltys. Der im Wahlkampf mit viel Raum beachtete Stadtrat, Philosoph und Satiriker Markus Vogt alias Häns Dämpf lag nur einmal vorn: auf der Bühne der Mensa ließ er sich für seine 3,8 Prozent der Stimmen feiern, lange bevor Palmer den Saal betrat.

Der neue und alte OB bedankte sich bei der „respektablen Gegenkandidatin“, die freilich zumindest zu diesem Zeitpunkt ihren angekündigten Weg in die Uhlandstraße nicht hinter sich gebracht hatte. Palmer führte auf ihre Kandidatur die fürs Land „sensationell hohe Wahlbeteiligung“ von 55 Prozent zurück. Vor acht Jahren waren 51,6 Prozent der Wähler zu den Urnen gegangen. Damals hatte Palmer mit 50,4 Prozent gegen die überraschte Amtsinhaberin Brigitte Russ-Scherer gewonnen.

Wahlkampf dreht sich um Palmers Ecken und Kanten

Am Sonntagabend hatte Palmer in der Mensa von Beginn an ein Heimspiel. Nur in einigen wenigen Stimmenbezirken von Teilorten hatte die 48 Jahre alte Fellbacher Baubürgermeisterin mehr Stimmen auf sich ziehen können als der Titelverteidiger. Entsprechend stumm blieben die Soltys-Anhänger. Jeder der rund 60 kleinen Siege Palmers wurde dagegen laut gefeiert.

Der Tübinger CDU-Stadtrat und Landtagsdirekor Hubert Wicker sah Beatrice Soltys „unter Wert geschlagen“. Tübingen sei nun mal strukturell grün, meinte Wicker. „Zudem hat Palmer unstrittig keine schlechte Arbeit geleistet“. Da nehme der Tübinger seine Ecken und Kanten offensichtlich in Kauf, räumte der Unterstützer von Soltys ein.

Um diese Ecken und Kanten, die manche als arrogant bezeichnen, andere als klare Worte einordnen, ging es in dem Wahlkampf. Die Sachpolitik stand hinten an. Palmer zog sehr viel Aufmerksamkeit auf sich. Der bei den Grünen im Bund nicht immer geliebte Politprofi zog den Tübinger Kommunalwahlkampf in deutschlandweite Tageszeitungen und Magazine. Die Journalisten witterten eine Sensation, wenn der begnadete Rhetoriker und Talkshow-Gast einer weitgehend unbekannten Herausforderin unterliegen sollte. Als Ergebnisse am Sonntag durchsickerten, erlosch das Interesse dieser Medien rasch. Nur noch wenige Reporter richteten ihre Mikrofone vor Ort auf den grünen Realo.

"Der Boris passt zu Tübingen"

Lange schien es so, als könne Palmer genau über seine Schwächen ins Stolpern geraten. Doch in den letzten Tagen vor der Wahl hörten sich viele Stimmen anders an. Man wollte nicht mehr hören, dass Palmer mitunter rechthaberisch oder oberlehrerhaft agiere. Darüber seine ganzen Taten für die Stadt vergessen oder gar schlecht zu reden, wie von der Herausforderin praktiziert? „Nein, so geht das nicht“ hieß es zuletzt auf dem Wochenmarkt; zudem „passt der Boris zu Tübingen“. Mit der durchaus verwaltungserfahrenen Gegenkandidatin wurden auch ihre Anhänger nicht recht warm, und sie nicht mit der komplexen, mitunter selbstverliebten Stadt am Neckar.

Palmer war zuletzt angesichts der Attacken dünnhäutig geworden. Am Wahlabend strahlte er wie seit langem nicht mehr. „Das Wahlergebnis schafft eine Reinigung und Klarheit“, sagte er. Er redete von seiner Freude auf die kommenden acht Jahre an der Spitze der Stadt und packte seine Erfolge in den Begriff vom ökologisch-sozialen Wohlstandspaket. „Das funktioniert in Tübingen“, merkte er mehrfach an, und kam auch auf sich zu sprechen. Seine klaren Worte seine auch honoriert worden. „Ich rede nicht um die Sache herum“. Streit sei schließlich das Salz in der Suppe der Demokratie und und dann setzte Palmer das Versprechen hinzu: „Ich will noch freundlicher sein“.

Tübingen will Boris Palmer. Das ist eindeutig bei diesem Ergebnis. Und weil der Tübinger nicht alles leicht nimmt, gab es auch schon erste mahnende Stimmen. Ein bissle weniger Vorsprung wäre auch recht gewesen, meinte ein dem OB wohlgesonner Jurist schmunzelnd, „damit der Palmer seine Standhaftigkeit nicht verliert“.