Global agierende Konzerne nutzen gerne alle steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten, um ihre Abgabenlast zu drücken. Bosch hat dabei jetzt Pech gehabt: Der Konzern hat 320 Millionen Euro Steuern doppelt gezahlt, in Deutschland und in Italien -  und keine Aussicht darauf, das zu viel gezahlte Geld zurückzuerhalten.

Stuttgart - Global agierende Konzerne nutzen gerne alle steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten, um ihre Abgabenlast möglichst stark zu drücken – bisweilen so weit, dass Töchter trotz hoher Gewinne kaum Steuern zahlen, was dann die Politik auf den Plan ruft. Der Bosch-Konzern hat jetzt die Erfahrung gemacht, dass sich die Steuerregelungen durchaus auch gegen ein Großunternehmen wenden können: Die Stuttgarter haben 320 Millionen Euro Steuern doppelt gezahlt, in Deutschland und in Italien. Und sie haben keine Aussicht darauf, das zu viel gezahlte Geld zurückzuerhalten.

 

Der bemerkenswerte Fall hat eine lange Vorgeschichte. Der italienische Fiskus änderte im Jahr 2010 seinen bisherigen Kurs gegenüber Bosch und betrachtete die Arbeit von einem Dutzend deutscher Techniker bei dem Kunden Fiat auf einmal als Bildung einer Betriebsstätte, die der italienischen Steuerzuständigkeit unterliegt. Bosch machte geltend, dass die Techniker lediglich die Kunden unterstützen und keineswegs – wie vom Fiskus vermutet – unternehmerisch tätig sind. Wie in anderen Fällen im Ausland auch entrichtete Bosch die entsprechenden Steuern in Deutschland. Nirgendwo sonst, so sagte ein Bosch-Sprecher, sei diese Praxis bisher beanstandet worden.

Im folgenden Jahr wurde die Sache für Bosch bedrohlich: Der italienische Fiskus präsentierte eine Forderung in Höhe von 1,4 Milliarden Euro, mit der rückwirkend für mehrere Jahre Ansprüche geltend gemacht wurden. Auch die Staatsanwaltschaft in Mailand schaltete sich in die Auseinandersetzung um Bosch Italia S.p.A. ein. Kurz vor Weihnachten 2011 kam es zu einem Kompromiss, weil sich die Deutschen zwar keiner Schuld bewusst waren, aber ein langwieriges Verfahren mit ungewissem Ausgang vermeiden wollten. Bosch zahlte 320 Millionen Euro und hoffte darauf, dass der Betrag vom deutschen Fiskus erstattet wird. Nach Angaben eines Bosch-Sprechers werden auch gegenwärtig noch Gespräche mit den Behörden geführt, aber ganz offensichtlich hat das deutsch-italienische Doppelbesteuerungsabkommen an der entscheidenden Stelle eine Lücke.

Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen

Die deutschen Behörden zeigen keinerlei Neigung, sich die Sichtweise ihrer italienischen Kollegen zu eigen zu machen. Als illegitim und im Widerspruch zu europäischen Standards stehend wird die italienische Praxis bezeichnet. Und Bosch hat sogar vom Finanzamt Stuttgart schriftlich, dass es nie und nimmer zu einer Rückzahlung kommen werde.

Dies, so schreibt die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“, wurde in Mailand vor Gericht verlesen. Vor Gericht? In der Tat hat die Mailänder Staatsanwaltschaft ihre 2010 begonnen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung weitergetrieben und zur Anklage gebracht. Das hätte zum Beispiel für den früheren Bosch-Geschäftsführer Wolfgang Malchow (er ging Ende 2011 in den Ruhestand), damals zuständig für die Italien-Tochter, ins Auge gehen können. Ihm und den beiden Unterzeichnern der Steuererklärungen hätten im Fall einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe zwischen 18 Monaten und sechs Jahren gedroht.

Dazu kam es aber nicht. Bosch wurde vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen; die Vorwürfe entbehrten jeder sachlichen Begründung, heißt es. Unternehmensvertreter wiesen vor Gericht auch darauf hin, dass das Steuerthema in Italien seit Langem in gleicher Weise behandelt wurde. Dies sei auch bekannt gewesen. Geändert habe sich lediglich 2010 die Sichtweise der Behörden. Jetzt hat der Konzern schriftlich, dass sich die Mitarbeiter korrekt verhalten haben und die Steuern ebenso korrekt bezahlt wurden. Das bleibt aber folgenlos, weil der strafrechtliche Freispruch keinen Rückzahlungsanspruch im Steuerrecht nach sich zieht.