Die Konzernchefs Jürgen Hambrecht von BASF und Dieter Zetsche von Daimler machen sich vehement stark für den Bau von Stuttgart 21.

Stuttgart - Die Chefs von sechs internationalen Konzernen haben Anfang November demonstrativ ein Bekenntnis zu dem umstrittenen Milliardenprojekt Stuttgart21 abgelegt - und inzwischen die Topmanager weiterer Unternehmen mit ins Boot geholt. BASF-Chef Jürgen Hambrecht und der Daimler-Chef Dieter Zetsche, die die Initiative mit begründet haben, halten die Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart samt Neubaustrecke nach Ulm für unverzichtbar. Sonst, sagen sie, falle die Region im Wettbewerb zurück.

Herr Zetsche, der frühere Präsident der Industrie- und Handelskammer, Hans Peter Stihl, hat kritisiert, dass die Unternehmer in der Region bei Stuttgart 21 zu wenig Position beziehen. Wieso hat sich die Wirtschaft bei dem Thema so lange zurückgehalten?


Zetsche: Ich kann nur für mich und unser Haus sprechen. Wir haben uns von Anfang an klar zu Stuttgart 21 bekannt - auch öffentlich, zumindest wenn wir gefragt worden sind. Ich bin allerdings davon ausgegangen, dass uns die Hauptakteure des Projektes von sich aus stärker einbinden. Nachdem das trotz unseres Angebots nicht geschehen ist, hat Herr Hambrecht dankenswerter Weise die Initiative ergriffen, der wir uns gerne angeschlossen haben.

Trotzdem musste jemand aus der Pfalz kommen, um die Aktivitäten der Unternehmen zu bündeln. Warum engagieren Sie sich in dieser Sache, Herr Hambrecht?


Hambrecht: Lange Zeit war ich der Meinung, dass einzelne Aktivitäten aus den Reihen der Wirtschaft ausreichen würden, um das Projekt voranzubringen. Allerdings ist angesichts der massiven Proteste gegen Stuttgart21 während der Sommermonate immer deutlicher geworden, dass das nicht genug ist und wir als Wirtschaft uns viel mehr Gehör verschaffen müssen.

Warum ist Ihnen, dessen Firmenzentrale in Ludwigshafen sitzt, Stuttgart 21 so wichtig?


Hambrecht: Das hat mehrere Gründe. Denn es geht ja nicht nur um den Bau eines Bahnhofes, sondern auch um eine neue Schnellbahnstrecke nach München...

...die fast ausschließlich von Passagierzügen befahren werden wird...


Hambrecht: ...und die bisherige Stammstrecke im Filstal frei macht für Güterzüge, die dann nicht mehr ständig auf Ausweichgleisen warten müssen, um ICE-Zügen Platz zu machen. Mir geht es insgesamt um den Ausbau der Schieneninfrastruktur. Der Transport auf diesem Weg ist der ökologischste, wirtschaftlichste - und wird in der Zukunft massiv an Bedeutung gewinnen. Zurzeit gehen an unserem Standort in Ludwigshafen pro Jahr etwa zwölf Millionen Tonnen an Produkten rein und raus, davon mehr als zwei Millionen auf der Schiene. Diese Quote wollen wir steigern - was allerdings nur mit verbesserten Streckenangeboten gehen wird.

Müsste Ihnen der Ausbau der Rheintalbahn nicht viel mehr am Herzen liegen?


Hambrecht: Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen. Der Ausbau der Rheintalbahn ist genauso wichtig. Wir sollten die Projekte nicht gegeneinander ausspielen.

Zetsche: Eines dürfen wir doch nicht verkennen: der Zustand der Infrastruktur entscheidet über unseren Wohlstand. Das lässt sich wunderbar am Beispiel der USA illustrieren, wo jene Gegenden florieren, die an Highways, an großen Flughäfen, an Bahnstrecken liegen. In Württemberg, speziell in der Region Stuttgart, haben wir da einen großen Nachholbedarf.

Jetzt sagen Sie aber nicht, es gäbe hier keine Autobahnen und keine Gleise.


Zetsche: Nur leider sind die Straßen ständig verstopft, der Flughafen ist ein regionaler und die Bahnstrecken stammen aus dem 19. oder allenfalls vom Beginn des 20.Jahrhunderts. Wenn wir da nicht investieren, fällt die Region im Wettbewerb weit zurück. Das können wir uns als Gesellschaft, aber übrigens auch als Unternehmen nicht leisten: Daimler braucht explizit die schnelle Verbindung nach Ulm, dies beispielsweise auch, um für Arbeitnehmer aus dem weiteren Umland attraktiv zu sein.

Nach Ansicht von Kanzlerin Angela Merkel entscheidet sich an der Frage des Baus von Stuttgart21 die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Übertreibt sie da nicht?


Hambrecht: Nein. Was mich umtreibt ist - jenseits der Argumente für und wider Stuttgart 21 - die Frage, inwieweit wir in Deutschland überhaupt noch entwicklungs- und handlungsfähig sind. Seit 25Jahren wird über die Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart öffentlich diskutiert, Parlamente haben beschlossen, Gerichte entschieden, Verträge sind unterschrieben worden. Mit Verlaub: wenn diese Entscheidungen ausgehebelt werden sollten, stehen in diesem Staat die Rechtssicherheit und die Verlässlichkeit auf dem Spiel. Und das wäre eine große Gefahr.

Zetsche: Das ist auch aus meiner Sicht der zentrale Punkt. Wir sind schon bei den hierzulande normalen bürokratischen Verfahren im weltweiten Wettbewerb zeitlich nicht gerade bevorteilt. Wenn dann aber die langen Verfahren noch nicht einmal zu einem gesicherten Ergebnis führen, muss man sich sehr ernsthafte Sorgen machen.