Alesia Graf boxt sich durch: Die Stuttgarterin kämpft um einen WM-Titel und ihre Zukunft. Im südafrikanischen Kapstadt trifft sie Freitag auf eine Lokalmatadorin.

Kapstadt/Stuttgart - Das Bild, das Alesia Graf auf ihrer Facebookseite gepostet hat, sieht nach Urlaub aus. Sie steht mit weit ausgebreiteten Armen auf einem Felsen, strahlt mit der Sonne um die Wette, im Hintergrund rollen Atlantik-Wellen heran. Doch Graf ist nicht in Kapstadt, um sich eine schöne Zeit zu machen. Sie hat ein Ziel: das Township Khayelitsha. Und den Boxring in der Tambo-Hall. Dort trifft die Stuttgarterin an diesem Freitag auf Lokalmatadorin Bukiwe Nonina, sie will sich wieder mal einen WM-Titel holen. Das ist eine harte Nummer. Und trotzdem kein Widerspruch zur guten Laune, mit der sich Graf an der idyllischen Küste von Südafrika präsentiert. Denn dort steht eine Frau, die mit sich im Reinen ist – nicht die schlechteste Voraussetzung, um erfolgreich zu sein.

 

Als Au-pair nach Deutschland

Alesia Graf ist 36 Jahre alt, sie hat viel erlebt im Boxen. Als Au-pair-Mädchen kam die Weißrussin, die in einem Waisenhaus aufwuchs, einst nach Deutschland. Sie hörte von Regina Halmich und wurde selbst zur Kämpferin. Als die Königin abdankte, schlug sich Graf mit Ina Menzer und Susi Kentikian um den Thron. Geschafft hat es keine der Weltmeisterinnen aus dem Universum-Boxstall, der längst pleite ist. Graf boxt sich schon seit Jahren auf eigene Faust durch. Mal vor 40 000 Fans in der größten Stierkampfarena Mexikos, mal vor ein paar Dutzend Anhängern in einem Autohaus in Stuttgart. Aber auch in Melbourne, Peking oder der Stadthalle in Reutlingen. „In Deutschland ist das Boxen tot, nicht nur bei den Frauen“, sagt sie, „ich bin jetzt eine Weltenbummlerin des Sports.“ Mit Ehrgeiz. Aber ohne Illusionen.

Einst konnte die mehrfache Weltmeisterin vom Boxen ganz gut leben. Diese Zeiten sind vorbei. Graf ist zwar noch WBF-Weltmeisterin im Superbantamgewicht, und in Südafrika könnte sie sich nun noch den vakanten WBF-Gürtel im Bantamgewicht (bis 53,5 kg) sichern. Doch im Wirrwarr der zahllosen Verbände und Gewichtsklassen sind diese Erfolge vor allem von ideellem Wert. „Mich kennt die ganze Boxwelt“, erklärt die Gräfin aus Stuttgart, „doch zu holen gibt es neben Titeln nur noch kleine Spesen. Ich kämpfe vor allem, weil es mir Spaß macht.“

Graf denkt nicht ans Aufhören

Andererseits hilft der gute Name, den sie sich im Ring gemacht hat. Graf gibt Boxseminare, die auch von Managern gebucht werden. Die Rechnung geht auf: Dank der Einnahmen kann die Athletin ihre Karriere fortzusetzen, so lange sie Lust hat. Und so lange die Kraft reicht. Wobei: An fehlender Fitness und Schlaghärte wird es eher nicht scheitern. „Ich bin gesund, voll austrainiert, erfahren, technisch besser und stärker als früher“, sagt Graf, „ich wüsste keinen Grund, warum ich aufhören sollte.“ Höchstens einen – eine Niederlage gegen Bukiwe Nonina, die auch deshalb bitter wäre, weil es nicht nur um den Sieg geht, sondern zudem um den guten Zeck. Der Kampf ist eingebettet in die Charity-Veranstaltung von Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück und dem früheren Schwergewichts-Profi Francois Botha. Unter anderem wollen sie fünf Gyms in Khayelitsha mit Boxutensilien versorgen, und auch für die Lernstiftung von Hück in Pforzheim wird Geld gesammelt.

Graf hilft gerne, und doch muss sie sich zugleich auf ihren WM-Kampf konzentrieren. Das ist nicht einfach, zumal sie über ihre Gegnerin wenig weiß, denn im Internet war kaum Material zu finden. Zehn Siegen (zwei durch K. o.) der Südafrikanerin stehen drei Niederlagen gegenüber, sie soll sehr ehrgeizig sein, offensiv boxen. Und sie ist jung. Weshalb ihre Kontrahentin sagt: „Ich werde mit meiner Erfahrung verhindern, dass sie den Titel holt.“ Und wenn es doch anders kommt? Würde die Reise der Weltenbummlerin im schönen Südafrika zu Ende gehen: „Sollte ich gegen eine 24-Jährige verlieren“, sagt Graf, „wäre der Zeitpunkt erreicht, um abzutreten.“ Mal schauen, welches Foto sie nach dem Kampf in Kapstadt postet.