Die Anklage ist hartnäckig: Sie fordert Gefängnisstrafen für die zwei Angeklagten, die bereits aus der U-Haft entlassen worden sind .

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Winterbach - Mit einer Bewährungsstrafe sollten sie nicht davon kommen, und auch das Jugendstrafrecht solle bei dem jüngeren der beiden Angeklagten nicht angewandt werden, sagte am Montag der Staatsanwalt im Winterbach-Prozess. In seinem Plädoyer forderte Rüdiger Fuchs jeweils zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis für die beiden Männer im Alter von 21 und 22 Jahren. Sie sind angeklagt, in der Nacht zum vergangenen 10. April mit weiteren Rechtsextremen, die auf einem Gartengrundstück in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) feierten, eine Gruppe türkischer und italienischer Männer gejagt zu haben, bis diese sich in ein Gartenhaus flüchteten. Nach der Überzeugung der Anklage setzten die Angreifer das Holzhaus in Flammen. Die Männer konnten sich retten und erlitten Rauchvergiftungen. Weitere Opfer wurden brutalzusammengeschlagen oder verletzten sich auf der Flucht.

 

Angeklagte schon aus Haft entlassen

Von den zahlreichen Tatverdächtigen, die die Polizei verhörte, sind bisher nur der 21- und der 22-Jährige wegen versuchten Mordes angeklagt worden. Sie bestreiten eine Tatbeteiligung. In der vergangenen Woche sind sie aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil der dringende Tatverdacht gegen sie nicht aufrechterhalten werden konnte.

Die Beweisaufnahme in diesem Indizienprozess hatte sich von Anfang an schwierig gestaltet, weil sämtliche Gäste der rechten Party, die als Zeugen auftraten, entweder keine Angaben machten oder vorgaben, sich an die entscheidenden Momente nicht erinnern zu können. Der Staatsanwalt Fuchs räumte am Montag ein, dass den Angeklagten nicht nachzuweisen sei, dass sie bei der Brandstiftung dabei gewesen seien. Fest stehe jedoch, dass die türkischen und italienischen Männer „plötzlich von einem Mob gejagt wurden, und daran haben sich die beiden Angeklagten beteiligt“. Die aufgezeichneten Notrufe aus der Hütte dokumentierten eindrücklich die Todesangst der Opfer. Für sie habe diese Nacht dramatische Folgen gehabt: Sie erlitten Knochenbrüche, Prellungen, einer von ihnen einen Milzriss, und alle leiden bis heute seelisch unter dem Erlebten. „Sie haben sich hier vorher zu Hause gefühlt und tun das nun nicht mehr“, sagte Önder Bogazkaya, einer der drei Nebenklagevertreter. Diese „rassistische, menschenverachtende Tat“ habe die Mandanten für ihr Leben gezeichnet. Umso unbegreiflicher sei ihm, so Bogazkaya, dass die Angeklagten keine Reue zeigten.

Zwei Männer und eine Frau verhaftet

So steht gegen Ende der Hauptverhandlung zwar nicht fest, wer die Gartenhütte angezündet hat, doch gibt es neue Verdächtige. Am Montag Morgen hatte der 36-Jährige ausgesagt, der das Grundstück für die Feier zur Verfügung gestellt hatte. In der Verhandlung hatten ihn mehrere Zeugen belastet – am Montag wurde er schließlich als Tatverdächtiger festgenommen. Er selbst streitet ab, an der Brandstiftung beteiligt gewesen zu sein. Ebenfalls verhaftet wurde eine junge Frau, die die Party ausgerichtet hatte. „Verdacht der Strafvereitelung“ lautet der Vorwurf. Bei der 25-jährigen Frau liefen offenbar die Fäden zusammen, mehrere Zeugen mutmaßten, dass sie mehr wisse, als sie vor Gericht sage.

Inhaftiert ist ferner ein 24-jähriger Pizzabäcker, der ebenfalls zu Gast bei der Party war und vor zwei Wochen vom Gerichtssaal weg verhaftet worden war. Er soll falsch ausgesagt haben. „Zudem bestand schon immer der Verdacht, dass er an einer gefährlichen Körperverletzung in Winterbach beteiligt gewesen sein könnte“, hatte die Staatsanwaltschaft damals mitgeteilt.

Mit diesen neuen Verhaftungen bleibe „die Hoffnung auf die Aufklärung der Tat“ bestehen, bilanzierte der Opferanwalt Walter Martinek. „Es hat etwas gebracht.“