Im Notfall dauert es in Göppingen oft zu lange, bis die Feuerwehr ausrückt. Schon bei der Ausfahrt aus dem Feuerwehrhaus verlieren die Aktiven bisweilen wertvolle Zeit.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Die Göppinger Feuerwehr kann bei vielen Einsätzen die angestrebten Hilfsfristen nicht einhalten. Das geht aus dem Feuerwehrbedarfsplan hervor, der jetzt dem Gemeinderat vorgelegt worden ist. Demnach müsse es das Ziel sein, spätestens zwölf Minuten nach der Alarmierung mit den ersten drei Feuerwehrautos und zehn Mann Besatzung am Brandort zu sein. Weitere fünf Minuten später solle die Verstärkung eintreffen. Natürlich seien solche ehrgeizigen Werte nicht immer zu schaffen, räumte Thomas Raidle von der in Ludwigsburg ansässigen Sicherheitsberatung Luelf & Rinke ein, die den Bedarfsplan erarbeitet hat. Für 90 Prozent der Einsätze müsse dies aber gelten. In Göppingen sind die Ausreißer aber offenbar häufiger. Einen Prozentsatz nannte Raidle auch auf Nachfrage nicht.

 

In der Innenstadt hakt es besonders

Allerdings sei nicht etwa ein mangelhaftes Engagement der 250 ehrenamtlichen Feuerwehrleute dafür verantwortlich, betonte Raidle. Vielmehr gebe es strukturelle Defizite. Die Maßnahmen, die Raidle vorschlägt, dürften innerhalb der Wehr, für die immer noch nach einem neuen hauptamtlichen Kommandanten gesucht wird, für Diskussionen sorgen. So solle die Feuerwache in der Stadt zu einem „übergreifenden Tagesalarmstandort“ ausgebaut werden.

Gerade in der Innenstadt, wo zum einen die meisten Einsätze zu fahren sind, zum anderen durch die Industriebetriebe und die dichte Bebauung die Gefahrenlage deutlich höher einzuschätzen ist, wird es tagsüber immer schwieriger, genügend Helfer rechtzeitig in die Fahrzeuge zu bekommen. Dieses Problem ließe sich beheben, indem der Anteil der hauptamtlichen Feuerwehrleute erhöht werde. Raidle empfiehlt eine Aufstockung der Berufsfeuerwehr um drei auf 15 Vollzeitstellen. Diese Kräfte könnten die Ehrenamtlichen bei kleineren Routineeinsätzen entlasten. Ihnen sollten aber auch insgesamt verstärkt die Schlüsselfunktionen bei Großeinsätzen übertragen werden. Dies könne helfen, die Ausrückzeiten zu verringern. Zudem solle es künftig möglich sein, dass Feuerwehrleute aus den Stadtteilen, die in der Innenstadt arbeiteten, bei größeren Innenstadteinsätzen ebenfalls angepiepst würden.

Müssen die Löschzüge aufgelöst werden?

Dazu müsste die Struktur der Löschzüge „etwas aufgelöst“ werden, erklärte Raidle. „Auf dem Papier hört sich das leichter an, als es ist“, sagte der Vizekommandant Ulrich Falter. Weil die Kameradschaft in den jeweiligen Löschzügen ein wichtiger Motivationsgrund für die Ehrenamtlichen darstellt, dürfte für diesen Schritt noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Zudem müssen solche gemeinsamen Einsätze zunächst eingeübt werden.

Schon der Ausbau der Berufsfeuerwehr dürfte die Stadt Göppingen jährlich einen sechsstelligen Betrag kosten. Im weiteren listet der Feuerwehrbedarfsplan für die nächsten Jahre aber auch einen erheblichen Investitionsbedarf bei Fahrzeugen und Feuerwehrhäusern auf. Insbesondere die Göppinger Hauptwache aus den 70er Jahren sei nicht mehr zeitgemäß, so der Experte. Für die heutigen Feuerwehrautos ist die Fahrzeughalle zu eng und zu klein. Für Frauen gibt es keine eigene Umkleide. Sie müssen sich für Einsätze notdürftig hinter einem Vorhang umziehen.

Feuerwache ist Sanierungsfall

„Wer dieses Denkmal von innen gesehen hat, dem kommt das kalte Grausen“, stellte der Freie-Wähler Stadtrat Wolfram Feifel lakonisch fest. Der Piraten-Stadtrat Michael Freche, jahrelang bei der Berufsfeuerwehr auf dem Stuttgarter Flugfeld beschäftigt, sprach von einem „fatalen Investitionsstau“, der sich auf 20 bis 25 Millionen Euro belaufen könnte. Ob sich die Feuerwache sanieren lasse oder neu gebaut werden müsse, sei noch offen, erklärte der Oberbürgermeister Guido Till (CDU). Offen sei auch, ob dies am gegenwärtigen Standort, den die Experten als ideal einstufen, möglich sei, ohne die Funktionsfähigkeit während der Umbau- und Neubauphase einzuschränken. Vorwürfe an seine Adresse, er habe die Wehr vernachlässigt, wies Till zurück. „Heute steht der Feuerwehrbedarfsplan auf der Tagesordnung und nicht eine Generalabrechnung mit dem Feuerwehrdezernenten.“

Allerdings muss auch das Faurndauer Spritzenhaus dringend saniert oder neu gebaut werden. An schnelle Ausfahrten ist dort nicht zu denken, weil sonst das Fahrzeug gegen den Rahmen des engen Tores krachen könnte. Nur zehn Zentimeter Luft ist noch über dem Fahrzeugdach. Lobend erwähnt der Bedarfsplan, dass in Holzheim bereits Taten zu sehen sind. Am neuen Feuerwehrhaus wurde jüngst Richtfest gefeiert. Übrigens gibt es dort für die künftige Entwicklung viel Spielraum. So wurde in dem Zwei-Millionen-Euro-Bau unter anderem eine Damenumkleide mit 16 Plätzen untergebracht. Gegenwärtig tut im Holzheimer Löschzug eine Frau ihren Dienst.