Brasilien will mit einem neuen Gesetz, die wirtschaftliche Ausbeutung des Regenwalds fördern. Traditionelle Völker sollen am Gewinn beteiligt werden. Auch Forscher hatten über die bisherigen bürokratischen Regelungen geklagt, die Bio-Piraterie verhindern sollten.

Rio de Janeiro - Die Ministerin redete sich in Rage. „Das sind die Kritiker aus São Paulo, die angeblich ganz genau wissen, was gut ist für die Indianer und die dabei nicht die blasseste Ahnung haben, wie es in den Indianerreservaten zugeht“, schäumte Izabella Teixeira, Brasiliens Umweltministerin. Für sie dagegen ist klar: das neue Gesetz zur Artenvielfalt nützt allen, den indigenen Gemeinschaften ebenso wie der Forschung und der Kosmetik.

 

Aber auch Indianer äußern sich zurückhaltend. „Wir hoffen, in diesem äußerst unternehmerfreundlichen Gesetz doch noch mehr von den Interessen der traditionellen Völker und Gemeinschaften durchsetzen zu können“, erklärte einer der 18 Häuptlinge, die trotz anfänglicher Bedenken zur feierlichen Verabschiedung des neuen Gesetzes in der Hauptstadt Brasília erschienen waren. Einen „Rückschritt für die Rechte der indigenen Völker“ beklagt die angesehene Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaft, SBPC, die in der Tat ihren Sitz in São Paulo hat.

Brasiliens biologische Vielfalt ist riesig. Allein im Amazonasgebiet finden sich bis zu einem Fünftel aller weltweit beschriebenen Lebewesen, darunter 55 000 Pflanzenarten und die größte Primaten-, Amphibien-, Süßwasserfisch- und Insekten-Diversität des Planeten. Wie dieser gewaltige Reichtum wissenschaftlich zu erforschen und wirtschaftlich zu nutzen sei, das bestimmten Regeln aus dem Jahr 2001, die seit Jahren heftig kritisiert werden. „Ein Albtraum: man braucht jede Menge Genehmigungen, und wenn man die letzte hat, ist die erste schon abgelaufen!“ – so charakterisierte ein deutscher Forscher den bürokratischen Wust. „Die bisherigen Regeln zielten vor allem auf den Kampf gegen Biopiraterie ab“, sagt Ministerin Teixeira, die die Novelle jetzt der Auslandspresse erläuterte, „das neue Gesetz fördert dagegen die Forschung und rückt die wirtschaftlichen Möglichkeiten in den Mittelpunkt“.

Die mitunter etwas irrationale Angst, Biopiraten könnten Brasilien etwas wegnehmen, führte in der Vergangenheit dazu, dass nicht nur Pharmafirmen, sondern auch brasilianische Universitäten aufgrund überzogener und widersprüchlicher Regeln Geldstrafen erhielten. Künftig dagegen sei für Forscher nur eine Online-Anmeldung des Vorhabens nötig, sagte Teixeira, was die SBPC ausdrücklich begrüßt hat.

Wie die traditionellen Gemeinschaften angemessen an den Gewinnen der Naturausbeutung zu beteiligen seien, ist die zentrale Frage, da seit der UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 die Biodiversität nicht mehr als Erbe der Menschheit angesehen wird, auf die jedermann zugreifen kann. Bisher, so Teixeira, bekamen die traditionellen Gemeinschaften zu wenig von den Gewinnen ab – ganz abgesehen davon, dass aufgrund der komplizierten Regeln bisher kaum Gewinne entstanden, weil es kaum entsprechende Wirtschaftsprojekte gab.

Die Details der Gewinnverteilung könnten ein weites Feld für neue bürokratische Exzesse sein. Bei manchen Gemeinschaften sei die Honorierung einfach, etwa bei denen, die nur bestimmte Waldprodukte wie Kautschuk oder Nüsse vermarkten. Andere Produkte des Dschungels jedoch – die Ministerin nannte als Beispiel „unser grünes Viagra“, also potenzsteigernde Pflanzen – seien, weil vielen Gemeinschaften bekannt, nicht einem Urheber zuzuordnen. Für solche Fälle sieht das Gesetz einen Fonds vor, in den die Industrie bis zu einem Prozent des Umsatzes einzahlen muss und der an die Gemeinschaften ausgeschüttet wird, die über die traditionellen Kenntnisse verfügen. Welche Produkte dafür in Frage kommen, steht auf einer Liste, die sieben Ministerien formulieren. Die Industrie jedenfalls hat das Gesetz begrüßt.