Grün-Rot in Baden-Württemberg hat beschlossen, zum Schuljahr 2016/17 mit dem Unterricht im neuen Schulfach Wirtschaft zu beginnen. Darin bestärkt sie ein breites Bündnis von Verbänden und Gruppen. Nur die Gewerkschaft hält sich zurück.

Stuttgart - Es ist eine nicht alltägliche Allianz, die sich jetzt mit einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Wirtschaftsminister Nils Schmid und Kultusminister Andreas Stoch (beide SPD) wendet. 19 Unterzeichner aus Wirtschaft, Kommunen, Wissenschaft und Schulen wollen dem Ministerpräsidenten den Rücken stärken und ihn bei der Einführung des Schulfaches Wirtschaft unterstützen. Er solle sich nicht „durch eine offensichtlich an Einzelinteressen orientierte Kritik beirren lassen“, raten die Arbeitgeber Baden-Württemberg, die Landesrektorenkonferenz der Universitäten, die Hochschulen für angewandte Wissenschaften, der Städtetag, das Handwerk, der Verband Bildung und Erziehung, der Verein deutscher Ingenieure und, und, und. Sie alle bilden die „Initiative für ein Fach Wirtschaft in der Sekundarstufe I“. Nur die Gewerkschaften sind skeptisch.

 

2016/17 soll es ernst werden

Baden-Württemberg will zum Schuljahr 2016/17 als erstes Bundesland ein eigenständiges Schulfach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ an den weiterführenden Schulen einrichten. Das wertet die Initiative als einen Meilenstein. „Zu einer guten und soliden Allgemeinbildung gehört auch eine breite und fundierte ökonomische Grundbildung“, schreiben die Unterzeichner. Das werde „von kaum einem Experten bestritten“, ebenso wenig wie der „offensichtlich existierende Nachholbedarf“, heißt es in dem Brief, der der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Das Fach, das den Einzelnen in seinen unterschiedlichen Rollen als Verbraucher, Erwerbstätiger und Wirtschaftsbürger in den Blick nehmen soll, „löst den geforderten umfassenden Ansatz in der ökonomischen Bildung wirkungsvoll ein“, schreibt die Initiative – und zwar effektiver, als dies in Fächerverbünden möglich wäre.

Einzig die Gewerkschaften bleiben außen vor. Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hat schon im Sommer ein Schulfach Wirtschaft für „nicht zeitgemäß“ erklärt. Der DGB befürchtet, dass politische und soziale Zusammenhänge nicht ausreichend in den Unterricht einbezogen werden. Die Vorstellung, wie die wirtschaftliche Kompetenz der Schüler zu stärken sei, sei „einseitig und unzureichend“.

Grün-Rot ist einig

Während auf Bundesebene auch die Grünen skeptisch sind, ist die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg einvernehmlich für das Fach. An Gymnasien ist es zwischen Klasse fünf und zehn mit insgesamt drei Wochenstunden vorgesehen, an Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschulen mit fünf. Die Lehrer können auch außerschulische Experten in den Unterricht einbinden. Wirtschaft steht schon länger als Teil von Fächerverbünden auf dem Stundenplan. Untersuchungen hätten aber gezeigt, dass die Ökonomie in Verbünden weitgehend außen vor gelassen werde, erklärt das Kultusministerium.

Das sieht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) anders. Das Fach sei im Verbund gut aufgehoben, findet die Landesvorsitzende Doro Moritz. Ein eigenes Schulfach würde dagegen zu Lasten von Gemeinschaftskunde und Geografie gehen. Das Themenfeld Wirtschaft müsse im Rahmen einer umfassenden sozioökonomischen Bildung behandelt werden, die auch die Dimensionen Soziales, Kultur, Ökologie, Recht und Ethik einschließe. Kämen Materialien aus der Wirtschaft, sei eine einseitige Ausrichtung zu befürchten.

Die Kultusministerkonferenz äußert sich nicht zu einem eigenen Schulfach, misst aber wirtschaftlichen Themen im Unterricht einen hohen Stellenwert zu. Kultusminister Andreas Stoch erwartet, dass Schüler durch das Fach Wirtschaft in die Lage versetzt werden, „wertebasiert und nachhaltig“ auf das ökonomische System Einfluss nehmen zu können.