Nach Toyota bringen weitere Anbieter Autos mit Brennstoffzelle auf den Markt. Aber die Verfechter der Technik sind nicht euphorisch: Das Problem der Wasserstoffversorgung ist weiter ungelöst.

Reichlich vorhandenen Wasserstoff tanken und völlig abgasfrei fahren – diese Vision sollte eigentlich schon vor knapp zehn Jahren für die Autofahrer in Erfüllung gehen. Doch die revolutionäre Technik, die das kann – die Brennstoffzelle – ist immer noch kompliziert und teuer. Inzwischen hat Brennstoffzellen-Pionier Daimler den Serienstart für 2017 angekündigt. Basis ist der sportliche Geländewagen GLC; der Antrieb wurde gemeinsam mit Ford und Nissan entwickelt. Daimler arbeitet daran in Nabern im Tochterunternehmen Nucellsys. Im VW-Konzern wird jetzt Audi in Neckarsulm die Brennstoffzellen-Technologie vorantreiben. So wird Baden-Württemberg zum Zentrum für die wasserstoffgetriebene Mobilität.

 

Ziel ist es, ein Serienmobil mit Brennstoffzelle zum Preis eines Diesel-Hybrid-Fahrzeugs anzubieten – etwa 60 000 Euro. Doch auch die abgasfreie Konkurrenz legt zu. Die batterieelektrischen Mobile sollen in wenigen Jahren deutlich billiger werden und längere Reichweiten und kürzere Ladezeiten ermöglichen. Das emissionsfreie Zukunftsduell heißt: Strom aus der Steckdose (Elektroauto) oder Stromerzeugung an Bord (Brennstoffzelle).

Das Werk Untertürkheim könnte profitieren

Daimler ist schon seit Jahren mit der Brennstoffzelle unterwegs und hat in dieses Projekt schon rund eine Milliarde Euro investiert. Eine Allianz zwischen Daimler, Ford und Nissan wird jetzt 2017 in die Serienproduktion einsteigen. Thomas Weber, Daimler-Vorstand für Forschung und Entwicklung, freut sich: „Mit dieser Kooperation können wir einen gemeinsamen Brennstoffzellenantrieb entwickeln und sind in allen großen Regionen der Welt unterwegs. Damit können wir das größte Handicap beseitigen. Die Stückzahlen sind bisher klein und die Kosten deshalb hoch“.

Die Zusammenarbeit Daimler-Ford-Nissan schafft die Voraussetzung für attraktive Preise. Weber rechnet vor: „Die Entwicklungskosten werden gedrittelt, wir sparen also rund 70 Prozent.“ Daimler-Chef Dieter Zetsche kündigte an, dass 2018 bereits eine vierstellige Zahl von Brennstoffzellenfahrzeugen produziert werde. Auch Daimler setzt dabei auf eine Elektroauto-Plattform, die der Brennstoffzellen-SUV GLC ebenso nutzt wie das batterieelektrische Mercedes-Modell, das in zwei Jahren auf den Markt kommen soll. Die Brennstoffzelle ist auch Thema für die Komponenten-Fertigung in Untertürkheim. Mit der Elektrifizierung schwindet die Bedeutung von Verbrennungsmotoren und Getriebe. Die Brennstoffzelle könnte helfen, die sich auftuende Beschäftigungslücke zu schließen.

Der Wirkungsgrad ist beeindruckend

Die Stacks, die eigentliche Brennstoffzelle, werden von AFCC, der Automotive Fuel Cell Corporation, in Burnaby in der Nähe von Vancouver/Kanada hergestellt. An diesem Unternehmen sind Daimler, Ford und Ballard beteiligt. Die Stacks sind eine Art Minikraftwerk, in dem durch eine chemische Reaktion von Wasserstoff aus den Tanks und Sauerstoff aus der Umgebungsluft mit über 100 eng geschichteten Zell-Membranen Strom erzeugt wird – völlig abgasfrei. Da sich in der Brennstoffzelle mechanisch nichts bewegt, arbeitet sie fast geräuschlos und mit hohem Wirkungsgrad von rund 80 Prozent. Ein Verbrennungsmotor schafft gerade mal 25 Prozent. Ihr Vorteil: der Strom für den Elektromotor wird nach Bedarf erzeugt und muss so nicht in teuren Batterien gespeichert werden. Mit einer Tankfüllung kommt ein Brennstoffzellenauto rund 600 Kilometer weit.

Die asiatischen Autokonzerne drücken bei der Brennstoffzelle aufs Tempo. Der Hersteller Hyundai will den SUV ix 35 Fuel Cell in Serie produzieren. Mit einem 100- kW-Elektromotor schafft der Brennstoffzellen-Hyundai 160 km/h. Rund 1000 Fahrzeuge sollen in Ulsan/Südkorea vom Band laufen, ehe anschließend die Produktion auf 10 000 Brennstoffzellenautos pro Jahr gesteigert werden soll. Der Einstiegspreis liegt bei 65 450 Euro, die monatliche Leasinggebühr beträgt etwa 1200 Euro. Honda bringt die dritte Generation der Brennstoffzellen-Limousine FCX Clary in diesem Frühjahr auf den Markt. Honda und General Motors haben sich bei der Brennstoffzellenentwicklung verbündet, um die Kosten zu senken und schneller die Serienreife des Antriebs zu erreichen.

Toyota hat das erste Modell bereits seit 2015 auf dem Markt

Auch der derzeit weltgrößte Autokonzern Toyota forscht intensiv an der Brennstoffzellen-Technologie. Die Japaner starteten 2015 die Serienproduktion der Brennstoffzellen-Limousine Mirai – was auf japanisch „Zukunft“ heißt. In diesem Jahr soll die Produktion von bisher 700 auf 2100 Einheiten aufgestockt werden. Im nächsten Jahrzehnt sollen es dann 10 000 sein. Toyota-Entwicklungschef Takeshi Uchiyamada räumt ein, dass die Brennstoffzelle einige Hürden zu überwinden hat, aber er sagt auch, dass man mit kleinen Schritten anfangen muss, wenn man große Ziele erreichen will.

Der Toyota Mirai, mit 4,89 m Länge eine ausgewachsene Mittelklasse-Limousine, hat einen Grundpreis von 78 540 Euro. Angeboten wird er auf Leasingbasis für 1219 Euro monatlich bei vierjähriger Vertragslaufzeit. Das Kooperationsabkommen zwischen BMW und Toyota schließt auch die Brennstoffzelle mit ein, allerdings sind die Bayern weniger optimistisch. Nach Einschätzung von BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich bremsen die Brennstoffzelle vor allem zwei Faktoren: die noch hohen Kosten und die fehlender Wasserstoff-Tankstellen. Vor 2020 sehen die Weiß-Blauen deshalb wenig Chancen für die Brennstoffzelle.

Der Auspuff darf aus Kunststoff sein

Auch Audi-Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch sieht die Brennstoffzellenzukunft erst im nächsten Jahrzehnt. Doch bei der Entwicklung ist das Unternehmen mit den vier Ringen inzwischen zum Brennstoffzellen-Kompetenzzentrum des ganzen VW-Konzerns aufgestiegen; der Sitz ist Neckarsulm. Aktuellster Versuchsträger ist der Audi A 7 Sportback h-tron quattro . Mit 170 kW erreicht er rein elektrisch 180 km/h Höchstgeschwindigkeit und sprintet in knapp acht Sekunden auf 100. Die Auspuffanlage besteht aus gewichtssparendem Kunststoff, weil sie ausschließlich Wasserdampf leitet.

Das geplante Audi-Brennstoffzellenmobil basiert auf dem Konzern-Elektrifizierungsbaukasten MLE, auf dem sich Elektromobile und Brennstoffzellenautos aufbauen lassen. Dass der VW-Konzern sich bei dieser Technologie nicht abhängen lassen will, zeigt eine 80-Millionen-Dollar-Kooperation von VW mit dem kanadischen Spezialisten Ballard. Dazu gehört auch der Kauf eines Pakets von Brennstoffzellen-Patenten. In der Kooperation mit Ballard, die bis März 2019 reicht, wird derzeit die fünfte Brennstoffzellen-Generation entwickelt, die weniger Platin benötigt und deshalb um 30 Prozent billiger ist.

Daimler will zweigleisig fahren

Wenn die Brennstoffzelle Zukunft hat, dann wahrscheinlich zuerst in der Oberklasse. Dort sind die Kunden eher bereit, für teuere Technik zu zahlen. Mercedes hat bereits die Studie einer großen Limousine mit Brennstoffzellentechnik vorgestellt, den F 125. Damit wäre die elektrische Zukunft fixiert: Die Oberklasse wählt die langstreckentaugliche, aber teure Brennstoffzelle, für die Kurzstrecke ist der auch nicht billige, aber abgasfreie batterie-elektrische Antrieb angesagt. Für die deutschen Premiumhersteller bietet die Brennstoffzelle die attraktive Chance, dass auch große Autos locker die CO2-Norm der EU schaffen.

Doch die Begeisterung von Daimler-Chef Zetsche ist gebremst. Denn die Batterietechnik kommt offenbar mit Riesenschritten voran. Reichweiten von 500 km sind angekündigt, Ladezeiten von 20 und weniger Minuten versprochen. Die Kosten: halbiert. Daimler-Vorstand Weber setzt auf beide Alternativen und argumentiert im Interview mit der Stuttgarter Zeitung so: „Bei einem großen Auto mit 90 bis 100 kWh Energieinhalt der Batterie braucht man leistungsstarke Schnellladestationen. Heute gibt es noch kein solches Netz. Ein Brennstoffzellenfahrzeug ist dagegen in drei Minuten komplett vollgetankt, obwohl auch hier noch kein flächendeckendes Wasserstoff-Tankstellennetz vorhanden ist“.

Deutschland ist bei der Brennstoffzelle ziemlich einsam

Trotz vieler Vorteile hat die Brennstoffzelle einen weiteren Nachteil: Sie ist eine deutsche Insellösung. Frankreich setzt auf den Strom aus der Batterie, was angesichts der vielen Atomkraftwerke in dem Land naheliegend ist. Wer mit dem Brennstoffzellen-Pkw nach Straßburg fährt, muss hingegen grübeln, wie er weiter kommt. Brennstoffzellenverfechter Toyota hat es da einfacher. Wer in Japan mit einem Brennstoffzellen-Pkw unterwegs ist, wird die Inseln kaum verlassen wollen. Es gibt also keine Einschränkung der Nutzung wie in Europa. Die andere Wasserstoffinsel könnte Kalifornien sein. Das Thema Emissionen hat hier einen hohen Stellenwert. Da wären wieder die Europäer gefordert, wenn sie auf diesem anspruchsvollen und wichtigen Automarkt dabei sein wollen.

Elektrisch wird die Mobilität sich weiter entwickeln, doch die Brennstoffzelle muss ihr Wasserstoff-Problem lösen. Das ist in Europa durch die batterieelektrische Konkurrenz schwierig. Es sind Befürchtungen, die auch Daimler–Chef Zetsche beschäftigen: So hat es bei den Batteriefahrzeugen in beiden bisherigen Problemfeldern – kurze Reichweite und lange Ladezeit – deutliche Fortschritte gegeben. Hingegen ist das größte Problem der Brennstoffzelle, die mangelhafte Wasserstoffversorgung, noch nicht wirklich gelöst. Der Ausgang des Rennens ist also weiter offen.