Der japanische Autohersteller Toyota steigt in den Markt für Wagen mit Brennstoffzellenantrieb ein, obwohl es bisher kaum Tankstellen dafür gibt.

Stuttgart - Die asiatischen Fahrzeugbauer haben die Nase bei Brennstoffzellenautos vorn. Vor zwei Jahren startete der koreanische Hyundai-Konzern den Verkauf von Geländewagen mit diesem sauberen Antrieb, bei dem nur feuchte Luft aus dem Auspuff kommt. Nun steigt auch der japanische Riese Toyota, die weltweite Nummer eins der PS-Branche, in dieses Geschäft ein. „Dies ist der Beginn einer langen Reise“, sagte Konzernchef Akio Toyoda, als er dem japanischen Premierminister Shinzo Abe den symbolischen Schlüssel für das erste Exemplar der neuen Limousine überreichte. Das Modell trägt den Namen Mirai, das heißt Zukunft.

 

In Japan wird der Wagen seit Mitte Dezember angeboten. Auf dem Genfer Autosalon hat der neue Wagen nun Europa-Premiere gefeiert. Auch VW-Chef Martin Winterkorn, der den Wolfsburger Konzern zum global führenden Autobauer machen und Toyota überholen will, inspizierte den blauen Wagen des Erzrivalen bei seinem Rundgang genauestens. Mit kritischem Blick überprüfte Winterkorn die Verarbeitung der Limousine und testete die Qualität des Lacks mit einem Magneten.

In Deutschland und in den USA soll der Verkauf im Spätsommer starten, wobei der Wagen hierzulande mit Steuer 78 450 Euro kosten soll. Neben Deutschland sind Dänemark und England die einzigen europäischen Märkte, in denen das Auto verkauft werden soll.

Die Nachfrage sei größer als erwartet, berichtet Katsuhiko Hirose, wobei die Stückzahlen bisher sehr bescheiden sind. Hirose ist so etwas wie der Brennstoffzellen-Botschafter von Toyota. Der Physiker war einer der Väter des Toyota Prius und hat dazu beigetragen, dass der Hybridantrieb der Japaner im Laufe der Jahre zu einer Erfolgsstory geworden ist. Nun will er der Brennstoffzelle den Weg ebnen.

Ursprünglich hatte Toyota zum Start mit einem Jahresabsatz von 400 Wagen gerechnet. „In wenigen Wochen haben wir bereits 1500 Bestellungen erhalten“, berichtet Hirose bei einem Gespräch auf dem Messestand. Nun soll die Produktion auf 2100 Wagen im nächsten und 3000 im übernächsten Jahr angehoben werden, sagt Hirose. Die Autos mit Brennstoffzellenantrieb haben bisher einen großen Vorteil gegenüber reinen Elektroautos. Sie haben eine ähnlich große Reichweite wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und können in ein paar Minuten wieder vollgetankt werden. Sie haben jedoch wie die Elektroautos ein großes Handicap. Es gibt kaum öffentliche Zapfstellen, wo die Wagen mit Wasserstoff betankt werden können. Bis zum Jahresende sollen es in ganz Deutschland etwa 50 sein. Eine davon steht beispielsweise am Stuttgarter Flughafen.

„Für eine einigermaßen flächendeckende Infrastruktur müssten wir wenigstens 1000 Tankstellen in Deutschland haben“, rechnet Daimler-Chef Dieter Zetsche in einer Diskussionsrunde auf dem Autosalon den Journalisten vor. Auf mittlere Sicht sollen hierzulande etwa 400 Wasserstoff-Tankstellen geschaffen werden. „Das ist natürlich ein zähes Geschäft“, räumt der Daimler-Chef ein, „weil man damit über längere Zeit kein Geld verdienen kann“. Damit stellt sich das Problem von Henne und Ei. Solange es kein dichtes Netz von Tankstellen gibt, sind die Wagen nur schwer zu verkaufen, solange jedoch der Absatz nicht läuft, lohnt es sich eigentlich auch nicht, ein dichtes Netz von Tankstellen aufzubauen.

Katsuhiko Hirose wischt solche Bedenken weg. „Das ist ja zunächst einmal kein Auto für jedermann“, meint der Brennstoffzellen-Fan. „Es ist ein Wagen für Firmenflotten oder beispielsweise für Journalisten wie Sie, die zeigen wollen, dass sie Umweltschützer sind“, meint Hirose und fügt hinzu. „Natürlich wäre es schön, wenn es gleich Tausende von Stationen gäbe. Aber das lohnt sich eben nicht. Man muss anfangs ein bisschen kompromissbereit sein.“

Auch beim Hybridauto Prius habe man klein angefangen und dann Schritt für Schritt mehr Autos verkauft. „Heute läuft das Geschäft gut und die Absatzzahlen sind hoch“, sagt der Toyota-Mann. Ähnlich soll es nun auch bei den Brennstoffzellenautos laufen. Zug um Zug soll der Absatz wachsen und auch das Netz der Tankstellen dichter werden. Nach Einschätzung der Berater von Roland Berger werden Wagen mit Brennstoffzellenantrieb zumindest bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts eine Randerscheinung sein. Bis 2025 werde der weltweite Marktanteil unter einem Prozent liegen, schätzt Wolfgang Bernhart, der Partner bei Roland Berger ist.

Diese Perspektive erklärt vielleicht, warum der VW-Konzern offenbar keine Eile damit hat, in diesen Markt einzusteigen. Zwar haben die Wolfsburger im vergangenen November auf der Autoschau in Los Angeles einen Audi und einen VW mit diesem Antrieb präsentiert - aber nur als Versuchsfahrzeuge. „Wir wollen zeigen, dass wir die Technologie beherrschen“, sagte Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg bei der Vorstellung. Laut Hackenberg könnte Audi jederzeit serienreife Autos produzieren. Vor dem Ende des Jahrzehnts rechne man aber nicht mit einem Durchbruch bei dieser Antriebstechnik. BMW hat sich bisher ebenfalls eher zurückgehalten. Die Bayern haben eine Partnerschaft mit Toyota geschlossen und wollen von der Technik der Japaner profitieren.

Auch Daimler hat den Start um einige Jahre verschoben, obwohl die Stuttgarter wohl so viel Geld wie kein anderer deutscher Autobauer in die Entwicklung des flüsterleisen Antriebs gesteckt haben. Nach früheren Plänen sollten die Brennstoffzellen spätestens von 2015 an in Großserie produziert werden. Doch dann erfolgte 2013 eine Kurskorrektur: Daimler bildete mit Ford und Nissan eine Allianz, um die Kräfte zu bündeln und die Kosten zu senken. Nun sollen erst von 2017 an gemeinsam Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb in großen Stückzahlen auf die Straße gebracht werden.

Wer sich in letzter Zeit mit Daimler-Managern unterhielt, konnte zumindest bei dem einen oder anderen den Eindruck gewinnen, dass die Erfolgsaussichten der Brennstoffzelle in Stuttgart zunehmend skeptisch eingeschätzt werden. Mancher zitierte hinter vorgehaltener Hand den Tesla-Chef Elon Musk, der ganz in das Elektroauto mit Batterie vernarrt ist. Musk spottete, die „Fuel Cell“, wie die Brennstoffzelle auf englisch heißt, sei in Wirklichkeit eine „Fool’s Cell“, also eine Zelle für Dumme.

Auch Daimler-Chef Zetsche räumt ein, dass die Wagen mit Batterie im Wettlauf um die Entwicklung der erfolgversprechendsten alternativen Antriebe Pluspunkte sammeln konnte. „Die systemspezifischen Vorteile der Brennstoffzelle haben sich in den letzten Jahren etwas relativiert, weil sich die Batterietechnik weiter entwickelt hat, als wir das vor einigen Jahren noch geglaubt haben“, sagt Zetsche. Ob nun ein Innovationsschub bei der Brennstoffzelle erfolge, sei offen. Es werde jedoch sicherlich mehr Geld in die Entwicklung von Batterien investiert als in Brennstoffzellen.

Es ist eine spannende Frage, wie dieses Rennen weitergeht, denn je mehr die Reichweite der Batterien zunimmt, umso mehr schwindet ein wichtiger Vorteil der Brennstoffzellen. Würde dann womöglich manches dafür sprechen, sich voll auf Elektroautos und den Aufbau eines Ladenetzes für die Stromer zu konzentrieren?

Der Daimler-Chef will sich solchen skeptischen Überlegungen allerdings nicht anschließen und zeigt sich auch alles andere als neidisch darüber, dass Toyota nun vor den Stuttgartern gestartet ist. Es sei hochwillkommen, so Zetsche, wenn Toyota und auch Hyundai den nächsten Schritt gehen, um diese Technik voranzubringen.

Auch Toyota betont das gemeinsame Ziel. „Wir teilen unser Wissen“, sagt Katsuhiko Hirose. Die Japaner haben kürzlich ein ganzes Paket von Patenten freigegeben, damit auch die Wettbewerber rascher vorankommen können. Das Interesse ist groß, berichtet der Toyota-Manager. „Unsere Patentabteilung hat viel zu tun, mehr als wir erwartet haben.“

Als das Interview eigentlich schon beendet ist, fällt Katsuhiko Hirose noch etwas ein, was wohl als freundliche Geste gemeint ist: „Es ist nicht schlimm, wenn Daimler zwei Jahre später kommt“, sagt Hirose und weist darauf hin, wie langfristig dieses Geschäft angelegt sei. Toyota werde die Stuttgarter willkommen heißen, wenn sie ein gutes Auto auf den Markt bringen, versichert der Japaner.