Das erste mit einer Brennstoffzelle betriebene Passagierflugzeug HY4 ist vom Stuttgarter Flughafen aus zu seinem offiziellen Erstflug gestartet. Aktuell ist es für den Regionalflugverkehr ausgelegt, soll langfristig aber auch für europaweite Flüge eingesetzt werden können.

Stuttgart - Sechs Jahre haben Josef Kallo und sein Team auf diesen Augenblick hingearbeitet. Als der Start unmittelbar bevorsteht, bleibt Kallo mitten in der Begrüßung vor lauter Bewegung die Stimme weg. „So, wie wir jetzt hier stehen, werden wir in Zukunft noch sehr oft hier stehen“, sagt er dann feierlich, „die Arbeit ist noch nicht getan. Dieser Erstflug ist ein Schritt, der dazu führt, dass wir noch viel lernen werden.“ Denn HY4 (gesprochen haifor) ist kein normales Flugzeug, sondern hebt mit Hilfe einer Brennstoffzelle ab.

 

Ungewöhnlich ist nicht nur der Antrieb, sondern auch die Silhouette des Flugzeugs mit den beiden Rümpfen und dem mittigen Propeller. Und es ist ein ergreifender Moment, als am östlichen Ende der Stuttgarter Startbahn drei kleine glitzernde Punkte auftauchen und langsam schneller werden.

Dann schwebt die HY4 auch schon leise surrend in etwa hundert Metern Höhe an den geladenen Gästen vor dem Luftfrachtzentrum vorbei. Nach all den Linienmaschinen, die mit schöner Regelmäßigkeit die Reden unterbrochen haben, verblüfft der Star des Tages mit Geräuschlosigkeit. Fast eine Viertelstunde lang haben die beiden Testpiloten Johannes Anton und Nejc Faganelj den Luftraum über dem Flughafen für sich. Am Boden wird in dieser Zeit keine einzige Turbine angeworfen. Und so herrscht am Stuttgarter Flughafen vorübergehend eine atemberaubende Ruhe.

Wird der Flieger bald zum Lufttaxi?

Dann landet die HY4 wieder, rollt vor die Zuschauermenge, und der Alltagsbetrieb beginnt wieder. Von Josef Kallo und seinem Team fällt die Anspannung dagegen nun endlich ab: Der Erstflug ist gelungen, jetzt können sie den Blick auf die nächsten Schritte richten. Zwei Wochen lang wird das Flugzeug noch in Stuttgart bleiben und einen weiteren öffentlichen Auftritt absolvieren, dann geht es zurück nach Slowenien, an den Sitz des Flugzeugherstellers Pipistrel. Neben dem slowenischen Startup gehören auch der Brennstoffzellenhersteller Hydrogenics, die Universität Ulm und der Flughafen Stuttgart zu den Projektpartnern. Schon im nächsten Jahr wollen sie mit der Feinjustierung des Konzepts beginnen, und die Reichweite des Flugzeugs nach und nach vergrößern. „Mit dem Flugzeug haben wir jetzt eine optimale Plattform, um den Einsatz der Brennstoffzelle weiterzuentwickeln“, sagt Josef Kallo.

Aktuell schafft die HY4 mit ihren 80 Kilowatt eine Höchstgeschwindigkeit von 200 Kilometer pro Stunde – je nach Geschwindigkeit, Flughöhe, Wetter und Zuladung kommt sie damit auf eine Reichweite zwischen 750 und 1500 Kilometern. Damit könnte sie schon bald als flexibles Lufttaxi auf kurzen Strecken eingesetzt werden. Allerdings müssen die Passagiere des Brennstoffzellenflugzeugs bereit sein, gewisse Einbußen beim Komfort hinzunehmen – denn die Sitze in der HY4 sind so bequem wie die in Segelflugzeugen.

„Passagierflugzeuge werden auf absehbare Zeit noch konventionell fliegen“

Auf lange Sicht soll die HY4 Passagiere auch quer durch Europa transportieren können. Dafür ist es allerdings notwendig, den Antriebsstrang weiter zu verbessern. Er besteht aus einer Niedertemperatur-Wasserstoffbrennstoffzelle sowie einer Hochleistungsbatterie. Die Brennstoffzelle wandelt die Energie aus dem Wasserstoff direkt in elektrische Energie und damit in den Vortrieb um. Während des Starts und bei Steigflügen liefert die Lithium-Ionen-Batterie als Puffer zusätzliche Energie.

„Große Passagierflugzeuge werden auf absehbare Zeit noch mit konventionellen Antrieben fliegen“, sagt André Thess, Leiter des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik. Dennoch ist er optimistisch, was die weitere technische Entwicklung angeht. Denn zum einen arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) schon an Konzepten für wasserstoffbetriebene Passagierflugzeuge mit 19 und 40 Sitzen. Dafür hat das DLR auf der Internationalen Luftfahrtmesse eine Allianz mit Partnern wie Siemens und Airbus verkündet. In diesem Verbund arbeiten auch Institute der Universität Stuttgart mit. Thess ist deshalb fest davon überzeugt, dass der Standort Stuttgart von der Entwicklung beim elektrischen Fliegen profitieren wird.

Das hören mit Sicherheit auch die Anwohner des Stuttgarter Flughafens gern. Flughafenchef Georg Fundel hatte einige zu dem gestrigen Erstflug eingeladen. „In 50 Jahren werden unsere Reden dann nicht mehr von startenden Flugzeugen unterbrochen“, kündigte Fundel an.