An diesem Mittwoch wird die britische Regierung in Brüssel offiziell den Austritt aus der EU beantragen. Die Gemeinschaft und Bundeskanzlerin Angela Merkel müssen hart dagegenhalten, kommentiert Christopher Ziedler.

Berlin - Im 15. Jahrhundert kämpften die Häuser Lancaster und York in den „Wars of the Roses“ um die englische Krone. Heute steht der Begriff Rosenkrieg oft für eine blutige Scheidungsschlacht. Diese droht in den nächsten beiden Jahren auch der EU. Denn die nie wirklich heiße Liebe zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ist endgültig erkaltet, die Londoner Regierung will an diesem Mittwoch offiziell die Scheidung einreichen. Das ist nach dem Brexit-Votum des Vorjahres zwar ihre Aufgabe, Umfragen legen aber nahe, dass die kompromisslose Verhandlungsposition von Premierministerin Theresa May keine Mehrheit auf der Insel hat.

 

Auch die Bundesregierung hatte gehofft, May werde das feige Wegducken der Kampagnenführer wie Nigel Farage oder Boris Johnson für einen lösungsorientierten Neustart nutzen. Stattdessen machte sie aber nicht nur den gefallsüchtigen „Boris“ zu ihrem Außenminister – sie propagierte auch den radikalen Schnitt mit Kontinentaleuropa, einen dummen „harten Brexit“.

Damit muss – wie bei der Annullierung einer Ehe mit Kindern – über persönliche Schicksale verhandelt werden. Da London etwa die absolute Kontrolle über die Zuwanderung beansprucht und daher eigentlich nicht im EU-Binnenmarkt mit seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit bleiben kann, ist die Zukunft von rund 300 000 Deutschen und insgesamt drei Millionen EU-Bürgern in Großbritannien völlig ungewiss. Dasselbe gilt für die 1,2 Millionen Briten, die in anderen Ländern der Gemeinschaft arbeiten und leben. Beide Seiten haben zugesagt, deren Interessen in den Verhandlungen hoch zu achten. Dass es vorab aber keine Bleibegarantien gab, sagt viel darüber aus, mit welch harten Bandagen der Austrittsvertrag verhandelt werden wird.

Die EU muss ihre Prinzipien wahren

Freundschaftliche und faire Gesprächen, die Kanzlerin Angela Merkel im Sinne guter Beziehungen in der Zukunft vorschweben, sind unrealistisch: Der eine Partner will mit seiner Rosinenpicker-Attitüde Vorteile der EU wie den Marktzugang oder Forschungskooperationen behalten, dafür aber nichts geben. Die andere Seite muss ihr Prinzip bewahren, dass es europäische Rechte nicht ohne Pflichten gibt. Die Regierung in London spekuliert darauf, dass die engen Wirtschaftsbande einzelne Mitgliedstaaten der EU zu einseitigen Zugeständnissen etwa für die Finanzwelt oder die Autoindustrie bewegen könnten. Schon aus Selbstschutz müssen Berlin und Brüssel dazu aber Nein sagen. Denn in dem Augenblick, da klar würde, dass es Europas Vorzüge auch ohne Mitgliedschaft gibt, wäre die Union am Ende.

Der deutschen Politik kommt in den Verhandlungen eine zentrale Rolle zu, obwohl die EU-Kommission Hauptansprechpartnerin ist und mehr als 20 000 Gesetze und Verordnungen abzuarbeiten hat, über die Briten und die anderen Europäer bisher verbunden sind. Die großen politischen Leitlinien dafür wird der Europäische Rat vorgeben. Merkel als Mitglied mit dem größten politischen Gewicht muss dort die harte einheitliche Haltung verteidigen.

Die deutsche Wirtschaft wäre zu Abstrichen bereit

Dazu benötigt sie jedoch die Rückendeckung der Wirtschaft, die lieber heute als morgen ein Folgeabkommen hätte. Die deutschen Unternehmer teilen bislang sogar mehrheitlich die Ansicht, dass sie für den langfristigen Erhalt des weltgrößten Binnenmarktes kurzfristig Abstriche im Großbritannien-Geschäft in Kauf nehmen würden. Ob diese Position aber die nächste Konjunkturdelle überdauert?

So wie diese sind viele Fragen offen, was das nun beginnende Scheidungsverfahren betrifft: Kann es aufgehalten werden, falls sich die beiden Partner wider Erwarten doch wieder ineinander verlieben sollten? Wahrscheinlich schon. Findet Theresa May doch noch zur britischen Fairness zurück, die eine ebensolche Antwort erlaubt? Das wäre zu wünschen – im Moment aber stehen die Zeichen auf Rosenkrieg.