Wollen die Briten jetzt doch bleiben oder zumindest noch einmal abstimmen? Nein, die Briten gehen wirklich, daran lässt die ARD-Talkshow-Runde mit Anne Will keinen Zweifel.

Berlin - Ja, was jetzt? Gehen die Briten gar nicht aus der EU? Wollen sie nochmals abstimmen, oder sind ihre Politiker einfach zu feige, das Brexit-Ergebnis umzusetzen? Nein, sie werden’s machen, meint am Sonntagabend die illustre Runde bei Anne Will im Ersten. „Wir standen immer in der Ecke und haben Steine auf die EU geworfen, da ist es fairer rauszugehen“, bilanziert noch einmal eine der Wortführerinnen der Brexit-Kampagne, die Tory-Abgeordnete Anna Firth. Ja, sie werden’s machen, glauben auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Ex-Botschafter Sir Peter Torry.

 

Doch warum wollen sie sich dann bis Oktober Zeit lassen? Gibt es vielleicht niemand, der dem Volk das erklären will?, fragt die Moderatorin – und das ist vielleicht die klügste Bemerkung an diesem Abend. Gut möglich, dass sich keiner findet, meint Sir Peter. Denn im Parlament sitzen ja 80 Prozent EU-Befürworter. Nein, nein, man müsse doch erst einmal den Rahmen für den Brexit haben, wiegelt Firth ab. Es gehe doch gar nicht um einen sofortigen Ausstieg. Von der Leyen sieht das anders: „Monate sind nicht hinnehmbar.“ Angesichts der Schärfe, mit der die Kampagne geführt wurde, könne man die Austrittserklärung nicht auf die lange Bank schieben: „Das ist auch eine Frage der Fairness.“

Emotionen? Fehlanzeige!

Ach, die EU habe sich doch bei anderen Frage schon viel länger Zeit gelassen, meint der slowakische Europa-Abgeordnete Richard Sulik. Seiner Ansicht nach müsse in der EU jetzt erstmal die alte Garde an der Spitze zurücktreten, die für die mangelnde Strahlkraft der Gemeinschaft verantwortlich ist: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Beispiel. Oder Parlamentspräsident Martin Schulz: „Das ist doch auch deren Schande.“

Jetzt bloß nicht wieder schachern, das würde doch Brexit-Nachahmer nur ermuntern, meint der Brüsseler ARD-Korrespondent Rold-Dieter Krause: Dieses Herumwurschteln sei doch mit ein Grund, warum die Menschen Europa nicht mögen. Irgendwie wird der Brüssel-Kenner das Gefühl nicht los, das es „auch anders kommen könnte“. Weil die Briten nicht wollen. Oder die Eurokraten nicht. Oder beide.

Am gesetzten Thema des Abends, ob die EU überhaupt noch attraktiv für andere Länder ist, kratzen die Diskutanten aber leider nur oberflächlich. Klar, die EU muss sich ändern. Aber wie? Mit mehr oder mit weniger Kompetenzen? Mehr als die üblichen technokratisch-ökonomischen Argumente über ihre Vorzüge sind von den EU-Befürwortern nicht zu hören. Emotionen? Seele? Leidenschaft für die europäische Integration? Fehlanzeige. So räumt Von der Leyen widerstrebend ein, dass sie sich derzeit nicht mehr getraut, wie noch vor wenigen Jahren von der Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ zu reden. Aber ist es nicht gerade eine Vision, die Europa jetzt braucht?